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Kultur: Spaß und Spektakel

In Salzburg eröffnet die Festival-Saison

Seit vergangenem Jahr hat Salzburg, die vielbesungene „Stadt als Bühne“, eine luftige neue Spielebene. Auf dem Mönchsberg direkt über dem Festspielbezirk leuchtet der weiße Kubus des Museums der Moderne, das derzeit die Schau „Les grands spectacles“ präsentiert. Ihr Thema, das Verhältnis von Massenkultur und Kunst, trifft auch den Nerv des Festivals, das diesen Sonntag mit dem üblichen postmonarchischen Staatsakt und allem Trara eröffnet wird. Das heißt, nicht ganz: Den Festredner aus Kunst oder Philosophie – in den letzten vier Jahrzehnten waren das immerhin Sir Karl Popper, Wolfgang Hildesheimer oder George Steiner – spart man diesmal ein. Hintergrund ist ein Streit zwischen den zwei mächtigsten Frauen Salzburgs, Helga Rabl-Stadler und Gaby Burgstaller. Die politisch schwarze Festspielpräsidentin hatte letztes Jahr der neu installierten roten Landeshauptfrau (Ministerpräsidentin) den politisch unkorrekten französischen Philosophen André Glucksman unterjubeln wollen, war aber an deren Veto gescheitert. Stattdessen durfte der Filmregisseur István Szabó reden.

Jetzt schlägt die Stunde von Agnes Husslein, der Gründungsdirektorin des Museums der Moderne, die Salzburg Ende des Jahres nicht ganz freiwillig verlässt. Sie hat Robert Menasse, Österreichs streitbarsten Intellektuellen, eingeladen, der roten Kulturpolitik die Leviten zu lesen. Just zur Stunde, wenn am Montag unten auf dem Domplatz der Jedermann zum ersten Mal Bußfertigkeit heuchelt, wird sich Menasse oben auf der Museumsbühne das Thema „Spektakelkultur, politische Verdummung und intellektuelle Abstinenz“ vornehmen.

Der Spektakelkultur muss auch Martin Kusej, der neue Salzburger Schauspieldirektor, Tribut zollen. Den „Jedermann“, den er in der Neuinszenierung Christian Stückls übernimmt, peppt er mit Nina Hoss als Buhlschaft und TV-Kommissarin Ulrike Folkerts als Tod auf. Sein übriges Programm liest sich hingegen geradezu als Kampfansage gegen politische Verdummung und intellektuelle Abstinenz. Horváths „Geschichten aus dem Wiener Wald“, die grandiose Denunziation des goldenen Wiener Herzens (Regie Barbara Frey), trägt’s schon im Motto: „Nichts gibt so sehr das Gefühl der Unendlichkeit als wie die Dummheit“. Und „König Ottokars Glück und Ende“, die Habsburg-Verklärung von Österreichs „Zweitklassiker“ Grillparzer, ist geradezu eine schulmäßige Dekonstruktionsaufgabe für einen Regisseur vom Kaliber Martin Kusejs. 1955, im Jahr des Staatsvertrags und der Wiedereröffnung des Burgtheaters, wurde Grillparzers Drama zur rückwärts gerichteten Identitätsstiftung auf der Nationalbühne gegeben – dorthin wandert die Salzburger Neuinszenierung mit Tobias Moretti in der Titelrolle im Herbst.

Wer fehlt noch in Kusejs Kritischem Salzburger Welttheater? Richtig, Elfriede Jelinek. Die Nobelpreisträgerin firmiert – zusammen mit António Lobo Antunes und John M. Coetzee – als „Dichterin zu Gast“. Ihr Auftritt könnte das große Spektakel sein, doch Salzburg muss sich mit ihrem Geist begnügen: Schauspieler lesen aus ihrem Roman „Die Kinder der Toten“.

Andres Müry

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