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Kultur: SPD und PDS: Am Grenzübergang

Berlins Große Koalition ist zerbrochen, die PDS steht als Teilerbe in den Startlöchern. Das Schmuddelkind im Hauptstadt-Senat?

Berlins Große Koalition ist zerbrochen, die PDS steht als Teilerbe in den Startlöchern. Das Schmuddelkind im Hauptstadt-Senat? Wer sich nach dem Platzen der Diepgen-Regierung auf die Suche nach Gegnern einer Annäherung an die PDS macht, erlebt Überraschendes. Zum Beispiel bei den ostdeutschen Grünen: Die Erben der Bürgerrechtsbewegung gegen die SED-Herrschaft wären die natürliche letzte Bastion erbitterten Widerstands gegen die Nachfolgepartei der DDR-Führung. Von wegen. "Die Zeit der Abgrenzung von der PDS ist vorbei", sagt Wolfgang Ullmann, Mitbegründer des Bündnis 90 und Initiator der Runden Tische, dem Tagesspiegel. Die "Abgrenzungsrituale der alten DDR-Opposition" gegen die Erben der DDR-Regierung seien überholt. Annäherungs-Appelle von ostdeutschen Bürgerrechtlern, dazu deutliche Aufrufe gegen "Tabus" aus der SPD: Vom Schmuddelkind PDS, mit dem man besser nicht spielt, bleibt kaum etwas.

Auch die Grünen-Parteichefs Claudia Roth und Fritz Kuhn machten am Donnerstag deutlich, dass sie keine Vorbehalte gegen eine Zusammenarbeit mit der PDS in der Hauptstadt hegen. "Es wäre in Berlin absurd, die PDS pauschal auszuschließen", meinte Kuhn, der indes vor einer "Erweckungsbewegung Gysi" warnte. Claudia Roth nannte die PDS "eine starke politische Kraft", deren Existenz man in Berlin nicht einfach übergehen könne.

Den Grünen-Strategen dürfte entgegenkommen, dass die ostdeutschen Parteifreunde vom Bündnis 90 eine Koalition mit der PDS nicht mehr als Sündenfall ansehen. So sagten beispielsweise die sächsischen Bundestagsabgeordneten Werner Schulz und Antje Hermenau, beide als PDS-Kritiker bekannt, sie sähen keine grundsätzlichen Hindernisse für eine rot-rot-grüne Regierung in der deutschen Hauptstadt. Die Verantwortung der PDS für die SED dürfe man natürlich nicht vergessen, warnte Schulz. Mit diesem Problem müsse sich aber die "Geschichtsaufarbeitung" befassen. In Berlin müsse die Diskussion um die Zukunft der Stadt geführt werden.

"Nun gibt es die Chance zur tätigen Wiedergutmachung. Die PDS muss durch gute Beiträge zeigen, dass sie das will", meint Schulz. Und Hermenau mahnt, Berlins Grüne sollten nur nüchtern püfen, ob sie in einem Regierungsbündnis gegenüber einer starken SPD und PDS genug Gestaltungsspielraum besitzen würden.

Die einstigen Gegner der SED-Diktatur haben sich aus Ullmanns Sicht in den vergangenen Jahren "in eine politisch tote Ecke manövriert", indem sie PDS-Reformer wie Lothar Bisky und Gregor Gysi mit der orthodoxen Partei-Basis gleichgesetzt hätten. Eine Koalition von SPD, PDS und Grünen ist für ihn "eine vernünftige Alternative zum bisherigen Zustand".

Die Spaltung der Bürgerrechtsbewegung an der PDS-Frage geht damit weiter. Der den Grünen nahe stehende Gründer der "Initiative für Frieden und Menschenrechte", Wolfgang Templin, sieht die Schuld für die Aufwertung der Linkssozialisten bei der CDU. "Den roten Teppich für die PDS haben Diepgen und Landowsky mit ihrer unverantwortlichen Politik ausgerollt", sagte Templin dem Tagesspiegel. Wenn sich die Christdemokraten jetzt als Bollwerk gegen die PDS präsentierten, sei das heuchlerisch. Joachim Gauck, einstiger Bundesbeauftragter für Stasi-Unterlagen, nimmt dagegen die SPD in die Pflicht. Die bisherigen rot-roten Kooperationen hätten den Weg geebnet: "Koalitionen haben die PDS nicht entzaubert, sie haben ihr genützt." Die Partei bestehe weiter aus "einer Masse von Gestrigen und einer Handvoll Reformer".

Die Grünen als konkurrierende Linkspartei haben einen Spagat auszuhalten, den auch die SPD übt. Beider Kalkül ist ähnlich: Jene, die auf einen raschen Untergang der SED-Erben setzten, haben sich verspekuliert. Die stabile Machtbasis der PDS zwingt zur Zusammenarbeit. So dürfte aus den Bundesgliederungen von Grünen und SPD einer Berliner Landesregierung mit PDS-Beteiligung - ob mit oder ohne Neuwahlen - kein nennenswerter Widerstand entgegengesetzt werden.

Zumindest nicht öffentlich. In der SPD gilt eine Abstufung der Abneigung gegenüber der PDS. Die Partei insgesamt ist sehr zögerlich, das Kanzleramt weniger, und die Parteispitze am wenigsten. In der Fraktion treffen die verschiedenen Einstellungen aufeinander. "Es gibt dort weiter viele, für die die PDS keine stinknormale Partei ist", sagt ein Abgeordneter. Ditmar Staffelt, der in den Bundestag gewechselte ehemalige Landes-Fraktionschef, hat Parteifreunden einmal anvertraut, ein Zusammengehen mit der PDS wäre für ihn ein Grund für den Parteiaustritt. Fraktionskollegen beschreiben die Gemütslage gegenüber der PDS als "schwierig", "voller Friktionen", "sicherlich kontrovers", "bei vielen kritisch bis ablehnend".

Der SPD-Abgeordnete Michael Roth betont die inhaltliche Frage: "Kann man mit der PDS, einer konsumptiven und desorganisierten Partei, einen strikten Konsolidierungskurs fahren?" Er vermutet, dass die Liebelei zwischen SPD und PDS nicht zuletzt dem Zweck dient, von außen Druck auf die Jüngeren in der Landes-CDU auszuüben, damit diese sich grundlegend erneuert. "Denn wer weiß schon, ob wir nach Neuwahlen nicht vor derselben Situation stehen, was sowohl die Finanzmisere als auch die Koalitionsoptionen angeht", meint Roth.

Hans-Jochen Vogel, der SPD-Ex-Vorsitzende, erinnerte sich am Donnerstag im Gespräch mit dem Tagesspiegel "lebhaft an die ersten Monate des Jahres 1981, als ich sehr kurzfristig hier in Berlin gebraucht wurde, weil man dem Vorgänger einen finanziellen Verlust von 116 Millionen vorwarf". Diepgens Amtsvorgänger rät zur Besonnenheit: "Das Ende der Koalition bedeutet nicht, dass damit auch schon ein Konzept für die Behebung der Krise auf dem Tisch liegt."

Wenn Vogels Amtsnachfolger als SPD-Vorsitzender, Gerhard Schröder, die Gretchen-Frage gestellt bekommt, wie er es denn mit der PDS halte, lautet die Antwort: "Koalitionen mit allen demokratischen Parteien sind möglich." Doch für die Bundesebene folgte eine klare Einschränkung. Am Donnerstag sagte der Kanzler: Zu populistisch sei die Ost-Partei; aus historischen und programmatischen Gründen gebe es für den Bund nur ein Nein. Im Bund sind die Stimmzahlen eben andere.

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