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Staatsbibliothek: Spiegel Berlins

Die Mendelsohns, Krupp, Adlon und Wertheim:Die Geschichte der Freunde der Staatsbibliothek ist bewegendes Kapitel einer verschollenen Vergangenheit.

Eigentlich ist es nur ein Verein, aber die Geschichte der Freunde der Staatsbibliothek ist gleichwohl, was man nicht unbedingt vermuten möchte: ein bewegendes Kapitel einer verschollenen Vergangenheit. Denn in ihr spiegeln sich der Glanz und das Elend Berlins so beeindruckend wie bestürzend – weshalb es ein Verdienst von Friedhilde Krause und Antonius Jammers ist, der beiden ehemaligen Bibliotheks-Generaldirektoren, Ost und West, sie aufgezeichnet zu haben („Hier müssen private Kreise mithelfen ...“ Das Engagement des Vereins der Freunde für seine Königliche und Preussische Staatsbibliothek von 1914 bis 1944, Stapp Verlag Berlin, 144 Seiten). Gegründet 1914, sozusagen als Begleitunternehmen des gewaltigen Ihne-Baus Unter den Linden, der im gleichen Jahr eröffnet wurde, wird der Freundeskreis zur Manifestation der kulturellen und wirtschaftlichen Potenz, die sich damals in Berlin versammelt, nicht nur des Kaiserreichs, sondern auch der Weimarer Republik.

Übrigens war der Verein durchaus eine Gründung von oben, inspiriert und dirigiert von Adolf von Harnack, dem Bibliotheksdirektor und legendären großen Wissenschaftsorganisator. Aber was wuchs ihm da aus der Stadt und dem Reich entgegen! Die Liste der Mitglieder umfasst die Bankiers und Wirtschaftsgrößen, die Mendelssohns, Oppenheimer, Borsig, Krupp, den Hotelier Lorenz Adlon und die Kaufhauskönige Tietz und Wertheim. Dann die Wissenschaftler, Politiker und hohen Beamten – Paul Ehrlich und Schmidt-Ott, später auch Kultusminister Carl Heinrich Becker. Schließlich, in der Republik, stößt selbst Reichspräsident Friedrich Ebert hinzu, aber auch, wie die Autoren verblüfft registrieren, „fünf Kleiderfabrikanten“. Um zu folgern: Es war offenbar eine „Ehre, zu den Freunden zu gehören, ja, es ging um so etwas wie eine vaterländische Pflicht“.

Exemplarisch ist allerdings auch das Schicksal des Vereins im „Dritten Reich“. Denn ein großer Teil der Mitglieder, denen die Staatsbibliothek unendlich viel an Spenden, Erwerbungen und Sammlungen verdankt, war jüdischer Herkunft. So ging der Verein, wie die Autoren schreiben, in diesem Jahrzwölft „verloren“. Der Direktor der Bibliothek, der den Nazis zur Hand gegangen war, beging höchst sinnbildlich im April 1945 im Keller der Staatsbibliothek Selbstmord. Aber vielleicht darf man es auch zu dieser Geschichte rechnen, dass der Verein der Freunde der Staatsbibliothek 1997 wieder gegründet wurde, durchaus im Andenken an seinen großen Vorgänger. An diesem Mittwoch lädt er zu seinem Jahresempfang in die Staatsbibliothek in der Potsdamer Straße ein. Hermann Rudolph

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