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Kultur: Spiel mit der Schlange

So feurig, so farbig: Das Berliner Architekten-Team Sauerbruch Hutton in einer Münchner Ausstellung

Mit ihrem sanften Schwung und dem abschießenden Flugdach verleiht die Hochhausscheibe der GSW-Hauptverwaltung der Berliner Stadtsilhouette einen bemerkenswerten Akzent. Eine elegante Landmarke mit Fernwirkung, die in der Abendsonne besonders fasziniert. Dann scheinen die in unterschiedlichen Rottönen changierenden Sonnenschutzlamellen fast zu glühen. So feurig kann Architektur sein – und so farbig.

Die Bauten von Louisa Hutton und Matthias Sauerbruch stehen gleichermaßen für Poesie und Eleganz wie für Innovation und Frische. Neben dem GSW Hochhaus (1991/99) beweisen dies in Berlin auch das amöbenhaft geschwungene Photonic-Center (1995/98) in Adlershof und die zentral gelegene Feuerwache für das Regierungsviertel (1999/2004), bei der die beiden Architekten ein Gebäude aus dem 19. Jahrhundert um einen niedrigen Riegel ergänzt haben. Und natürlich sorgt auch hier eine farbige Glasfassade für die unverkennbare Handschrift von Sauerbruch Hutton. Seit den leuchtend bunten Siedlungen von Bruno Taut für Berlin und Magdeburg aus den 1920er Jahren hat die Farbe wohl bei keinen anderen Architekten eine solch zentrale Rolle gespielt wie bei den beiden Wahlberlinern. Längst gehören sie zu den international bekannten deutschen Architekten, wenngleich sie nach wie vor hauptsächlich in Deutschland bauen. Unter anderem in München, wo derzeit gleich neben der Pinakothek der Moderne der – lange umstrittene – Neubau für die private Sammlung Brandhorst entsteht. Nur passend also, dass das Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne nun eine große Werkschau veranstaltet.

Der Titel der Münchner Ausstellung „1 2 3 4“ bezieht sich auf die vier Kapitel der Schau: Form, Inhalt, Oberfläche und Mittel, denen jeweils ein eigener Raum gewidmet ist. Den Auftakt bilden rund zwanzig Modelle von Bauten und Projekten Sauerbruch Huttons, mit denen eine organisch geschwungene Stadt im Kleinformat entsteht. Wie sehr die Farbe das Werk der beiden Architekten prägt, zeigen großformatige Fotos des finnischen Künstlers Ola Kolehmainen, die Details ihrer Bauten wiedergeben. Und auch die Sammlung Brandhorst wird mit einem farbigen Erscheinungsbild die Münchner Museumsmeile beleben. Ihr ist der letzte Ausstellungsraum vorbehalten – in unmittelbarem Sichtkontakt mit der Baustelle des Museums, das 2007 fertiggestellt werden soll. Bis dahin gibt ein 1:1- Modell einen Eindruck von dem künftigen Fassaden-Mikado aus farbig glasierten Terracottastäben für das Museum.

Die besondere Qualität der Architektur von Sauerbruch Hutton wird im Zusammenspiel ihrer unterschiedlichen Elemente deutlich. Neben der Lust an der Farbe sind es die geschwungenen Grundrisse, mit denen die Architekten eine organische Gegenposition zu den Kuben der klassischen Moderne aufzeigen oder zu den strengen Blockrandschließungen, wie sie in Berlin beliebt sind. Bewusst benennt Matthias Sauerbruch Hans Scharoun und Alvar Aalto als Vorbilder. So entstehen angenehm luftige Stadtlandschaften, die selbst ein so mächtiges Bauvolumen wie bei dem großen Umweltbundesamt in Dessau (1998/2005) mit seiner Fassade aus Holz und farbigem Glas harmonisch in die Umgebung einpassen.

Ähnliche städtische Qualitäten zeigt auch der Entwurf für die neue ADACZentrale in München, die 2009 fertiggestellt werden soll. Neben einem Hochhaus modelliert ein flacherer, fünfgeschossiger Bauteil fließende Stadträume. Platzartige Aufweitungen wechseln sich mit Bereichen ab, an denen der Neubau dicht an den vorhandenen Bestand herangeführt wird. So entsteht jene Spannung aus Kleinteiligkeit und Weite, die Bauten und Plätzen Aufenthaltsqualität verleiht. Wie kaum einem anderen deutschen Architekturbüro gelingt es Sauerbruch Hutton, starke Orte zu schaffen, mit denen sie die Qualität von Stadt in einer eigenständigen Architektursprache weiterentwickeln, ohne die Umgebung dabei durch übertriebene architektonische Gesten bloßzustellen.

Architekturmuseum München, Pinakothek der Moderne, bis 22. Okt., Katalog Lars Müller Publishers, 342 S., 38 €

Jürgen Tietz

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