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Kultur: Srbljanovic attackiert Handke

Die Stadt Düsseldorf, so erklärte ein Mitglied der Jury des Heine-Preises dem Tagesspiegel, mache gern von sich reden, „und geht dabei manchmal bewusst provokativ vor“. Im Fall Handke-Heine nun sieht es so aus, als ginge diese Strategie nicht auf.

Von Caroline Fetscher

Die Stadt Düsseldorf, so erklärte ein Mitglied der Jury des Heine-Preises dem Tagesspiegel, mache gern von sich reden, „und geht dabei manchmal bewusst provokativ vor“. Im Fall Handke-Heine nun sieht es so aus, als ginge diese Strategie nicht auf. Denn die 16. Verleihung des von Düsseldorf gestifteten Heine-Preises an Peter Handke, der als Redner am Grab Slobodan Milosevics aufgetreten war, ist die umstrittenste, die es je gab. So denkt inzwischen die Mehrheit im Rat der Stadt Düsseldorf, der dem Votum der Jury noch im Juni zustimmen muss, damit der Preis am 13. Dezember, Heines 209. Geburtstag, verliehen, und der Scheck von 50 000 Euro überreicht werden kann. SPD, Grüne und FDP wollen der Preisverleihung nicht zustimmen. Mithin hätte im Düsseldorfer Kulturausschuss, der den Preisträger am 22. Juni vor dem Stadtrat bestätigen muss, Oberbürgermeister Joachim Erwin, ebenfalls Jury-Mitglied und ein Verteidiger Handkes, keine Rückendeckung. In der 3-Sat-Kulturzeit von gestern abend nannte Erwin den Handke-Streit „eine Nachplapper-Debatte“. Nach seiner Ansicht meldeten sich darin „Kultur-Koryphäen zu Wort, die noch nicht einmal Handke gelesen haben“. Darüber hinaus wird sich morgen auch der nordrhein-westfälische Landtag auf Initiative der Grünen mit dem Thema beschäftigen. Anlass ist das Fernbleiben von Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff als Jury-Mitglied, der mit seiner Stimme als Landesvertreter die Entscheidung hätte verhindern können.

Auch NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers übte in seiner Trauerrede auf Paul Spiegel Kritik: Wer den Holocaust relativiere, sei nicht preiswürdig. Die Aussage bezog sich auf Handkes Bemerkung, Serben hätten mehr erlitten „als die Juden“. Der Heine-Preis wird vergeben an „Persönlichkeiten“, die sich der „Völkerverständigung“ widmen. Im Fall Handke, trifft das kaum zu, so wenig wie die von Jurymitglied Sigrid Löffler formulierte Begründung, Handke setze seinen „poetischen Blick auf die Welt (...) rücksichtslos gegen die veröffentlichte Meinung“. Rücksichtslos auch gegen Fakten. Das hielt ihm Biljana Srbljanovic, Serbiens bedeutendste Dramatikerin, in „Le Monde“ vor.

Sie habe Handke vermisst, schreibt sie, als am Tag der Beerdigung von Milosevic Tausende Demonstranten durch Belgrad zogen, um diesen Abschied zu begrüßen, nicht zu betrauern. Dort hätte Handke, so Srbljanovic, etwa die Witwe von Slavko Curuvija antreffen können, deren Mann, ein Verleger und Journalist, von Meuchelmördern des Milosevic-Regimes vor seiner Haustür niedergeschossen wurde. Mit Serben wie jener Witwe, meint Srbljanovic, hätte Handke Solidarität zeigen sollen, wenn es ihm um Serbien geht. „Die Opfer von Milosevic sind auch die Serben selber; sein eigenes Volk hat ebenfalls unter der Herrschaft der Ideologie dieses geistig verwirrten und grausamen Regimes gelitten. Wer der Freund von Milosevic ist, kann nicht der Freund Serbiens sein.“ Im Übrigen seien es die Serben gewesen, die Milosevic gestürzt und ausgeliefert haben. Handke selbst fordert in einem Beitrag der heutigen FAZ seine Kritiker dazu auf, „all meine Aufzeichnungen, Erzählungen, Berichte, Stücke der letzten 15 Jahre zu Jugoslawien Wort für Wort“ zu lesen. „Mir dünkt, mich bedünkt, für diese Schriften ist der Heinrich-Heine-Preis.“

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