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„Sleepless“ von Peter Eötvös, uraufgeführt 2021 an der Staatsoper, wird in der kommende Saison noch einmal zu sehen sein.

© Gianmarco Bresadola

Staatsoper Berlin: Letzte Runde für Intendant Matthias Schulz

Der Intendant der Berliner Staatsoper, Matthias Schulz, präsentiert seine letzte Saison: Von Verdis „Aida“ bis zur Musiktheater-Uraufführung reicht die stilistische Spannbreite.

In welche Richtung wird die Staatsoper gehen, jetzt, wo Daniel Barenboim krankheitsbedingt vom Posten des Generalmusikdirektors niederlegen musste? Das ist derzeit noch völlig unklar. Denn über die Neubesetzung des prestigereichen Postens entscheidet die neue Kultursenatorin oder der neue -senator. So lange, bis sie oder er ernannt ist und sich einarbeiten konnte, navigiert man Unter den Linden darum erst einmal ins Ungewisse. 

Wohin sich Staatsopern-Intendant Matthias Schulz künftig orientiert, steht dagegen schon fest: weit gen Südwesten nämlich. Er hat bereits einen Vertrag mit der Oper in Zürich geschlossen. Im Sommer 2024 packt er in Berlin seine Siebensachen und übergibt den Chefsessel an seine Nachfolgerin Elisabeth Sobotka, die von den Bregenzer Festspielen kommt.

Anna Netrebko singt Verdis Lady Macbeth

Fünf Premieren auf der großen Bühne wird es in Schulz‘ letzter Spielzeit geben. Besonders gut zum Saisonmotto „sprachlos“ passt Antonin Dvoraks „Rusalka“ (Dirigent: Robin Ticciati, Regie: Kornel Mundruczo) – denn die Titelheldin muss ihre Stimme hergeben, um aus Liebe zu einem Mann von der Nixe zur Menschenfrau werden zu können.  

Calixto Bieito wird „Aida“ szenisch zurichten, die musikalische Leitung der Verdi-Oper liegt bei Nicola Luisotti, in der Premierenbesetzung glänzt Elina Garanca als ägyptische Prinzessin. Anna Netrebko wiederum wird als Verdis Lady Macbeth Unter den Linden zu erleben sein.

Eine Berliner Saison ohne Daniel Barenboim

Mit der neuen „Aida“ und vier Wiederaufnahmen von weiteren Verdi- sowie vier Puccini-Werken könnte der Spielplan 2023/24 bereits vorausweisen auf eine mögliche neue künstlerische Ausrichtung der Staatsoper. Weg von den hier überdimensionierten Wagner-Werken, die Daniel Barenboim so liebte, hin zum italienischen Musiktheater des 19. Jahrhunderts. Eine attraktive Vision.

Weitere Säulen des Spielplans blieben natürlich Mozarts Meisterwerke sowie Zeitgenössisches – und natürlich alles Barocke, schon des historischen Gebäudes wegen. Gerade im Bereich des 17. und 18. Jahrhunderts hat sich Matthias Schulz in seiner Amtszeit profiliert, für die Barocktage 2023 kann er im Herbst den Dirigenten Simon Rattle, den Regisseur Peter Sellars und als Bühnenbildner Architektur-Altmeister Frank Gehry aufbieten, die sich Marc-Antoine Charpentiers „Medée“ vornehmen. Rattles Ehefrau Magdalena Kozena übernimmt die Titelrolle.

Sieben Dirigentinnen sind zu erleben

Bei den Neuinszenierungen geht es weiter mit Modest Mussorgskys große Choroper „Chowanschtschina“. Die nimmt sich der Regisseur Claus Guth vor. An seiner Seite wird die Dirigentin Simone Young sein, die auch die Wiederaufnahme von Puccinis „Fanciulla del West“ leitet. Und noch eine zweite Dirigentin übernimmt eine Produktion, Marie Jacquot nämlich, bei der Uraufführung von Marc-André Dalbavies „Melancholie des Widerstands“.

Matthias Schulz, Jahrgang 1977, ist seit 2018 Intendant der Staatsoper.
Matthias Schulz, Jahrgang 1977, ist seit 2018 Intendant der Staatsoper.

© dpa/Monika Skolimowska

Sieben Dirigentinnen hat Schulz 2023/24 an die Lindenoper eingeladen, im Repertoire wird Kristiina Poska die musikalische Leitung bei der „Zauberflöte“ übernehmen, Joana Mallwitz beim „Rosenkavalier“, Speranza Scappucci bei „La Traviata“ und Giedre Slekyte beim „Rigoletto“. Elim Cham dirigiert ein Sinfoniekonzert der Staatskapelle.

Philippe Jordan dirigiert den „Ring“

Neben Granden wie Manfred Honeck, Thielemann, Mehta, Rattle und Ivan Fischer fällt bei den Konzerten zudem der Name Rafael Payare auf. Der 1980 geborene, venezolanische Dirigent, der auch eine „Turandot“-Serie leiten wird, ist seit 2022 Chef beim Orchestre Symphonique de Montréal.

Sinfonien von Bruckner und Mahler bilden in der kommenden Spielzeit Schwerpunkte bei den Konzerten des hauseigenen Orchesters, das Barenboim an die Weltspitze geführt hat. Der Name des langjährigen Generalmusikdirektors findet sich in der Vorschau zur neuen Saison allerdings nicht mehr.

Umfangreiches Jugendprogramm

Jaap van Zweeden übernimmt Beethoven „Neunte“ zu Silvester, bei den österlichen Festtage wird der „Ring des Nibelungen“ von Philippe Jordan geleitet. Der 1974 geborene Schweizer hat seine Karriere als Barenboims Assistent Unter den Linden begonnen und ist aktuell Musikchef der Wiener Staatsoper.

Pikant ist, dass es in der kommenden Saison gleich fünf Mal den kompletten „Ring“-Zyklus in Berlin geben wird, dreimal an der Deutschen Oper und zweimal an der Staatsoper. Hat das ewig Genörgel der Kulturpolitiker über die mangelnden Absprachen innerhalb der Opernstiftung denn wirklich nichts genützt?

„Zum einen haben wir in den letzten Jahren bewiesen, dass die drei Häuser sich sehr gut abstimmen“, antwortet Matthias Schulz, „andererseits aber halte ich es in diesem Fall für bereichernd, dass wir die beiden „Ring“-Produktionen zeitnah zueinander zeigen, sodass man sie vergleichend hören und sehen kann.“ Das sei schließlich in keiner anderen Metropole weltweit möglich.

Umfangreich präsentiert sich das Jugendprogramm des Hauses, das dem fünffachen Vater Matthias Schulz sehr am Herzen liegt. Und stolz präsentiert er auch noch einmal die beiden erfolgreichen Uraufführungen seiner Amtszeit, „Violetter Schnee“ von Beat Furrer sowie „Sleepless“ von Peter Eötvös.

Seine letzte Spielzeit wird genauso, wie er es sich immer gewünscht hat: Er kann die roten Fäden, die er ausgelegt hat, noch einmal bündeln, die neue Technik des sanierten Hauses läuft reibungslos, jede Menge Künstler:innen, die ihn faszinieren, hat er zu Kreativteams zusammengeführt: „Besser“, sagt Matthias Schulz lachend, „kann ich es nicht.“

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