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Kultur: "Stalker": Ewig schläft das Hängebauchschwein

Tarkowskis "Stalker" aus dem Jahre 1979, sieben Jahre vor dem Unglück von Tschernobyl als düstere Gralssuche nach dem Sinn des Lebens gedreht, ist ein Traum. Mit Bildern, schwarzweiß oder blaustichig, von zerstörter Industrie in geheimnisvoller Landschaft, - und von Menschen, die sich durch die labyrinthischen Irrgärten dieser Landschaft als nachdenkliche Sinnsucher bewegen.

Tarkowskis "Stalker" aus dem Jahre 1979, sieben Jahre vor dem Unglück von Tschernobyl als düstere Gralssuche nach dem Sinn des Lebens gedreht, ist ein Traum. Mit Bildern, schwarzweiß oder blaustichig, von zerstörter Industrie in geheimnisvoller Landschaft, - und von Menschen, die sich durch die labyrinthischen Irrgärten dieser Landschaft als nachdenkliche Sinnsucher bewegen. Das Tempo des fast dreistündigen Filmes ist von tranceartiger Langsamkeit, und seine Lautstärke wird von der Stille bestimmt. Der auf einen Science-Fiction-Roman der Brüder Strugatzki zurückgehende Film zeigt, wie Stalker, ein ehemaliger Sträfling, zwei zweifelnde Glückssucher (einen Schriftsteller und einen Wissenschaftler) in die sogenannte verbotene Zone führt. Dies ist eine abgeriegelte Landschaft wie nach einem Meteoriteneinschlag oder GAU, mit einem geheimnisvollen Zimmer, in dem man seine geheimsten Wünsche erfahren und erfüllt bekommen kann.

Die Theater-Adaption dieses Films von Sebastian Hartmann im Berliner Prater ist vor allem ein auftrumpfend lautstarkes und schauspielerisch tobendes Denk- und Reflexionsspiel. Hartmann bricht die lineare Fabel des Filmes auf. Immer wieder kann Stalker, anders als im Film, auf seinem Weg Trost oder Aussprache bei seiner Frau suchen, denn die steht immer auf der Bühne bereit. Hartmann versucht weder, Theaterbilder für den Film zu finden, noch unternimmt er es, dessen Fabel nachzuerzählen. Er spielt mit dem Film und dessen Motiven auf ernsthaft angestrengte, oft auch alberne Weise.

Bühnenbildner Bert Neumann hat sein Globe-Theater aus dem Prater ausbauen lassen. Für eine geplante Reihe von Inszenierungen nach filmischen Vorlagen hat er nun ein sogenanntes Volksbühnenstudio als multifunktionale, sich von Inszenierung zu Inszenierung entwickelnde Filmkulisse gesetzt. Dafür hat er zunächst in eine Ecke des Pratersaals eine Wüstenlandschaft vor Felsformationen gebaut, mit Kakteen und einem lebendigen Hängebauchschwein, das nach seiner Nahrungsaufnahme alle Tiefen und Untiefen des Spiels durchschläft. Auf einem durch die Mitte des Raumes gelegtem Schienenpaar kann ein Kamerawagen mit einer Videokamera gefahren werden. Hier betätigen sich die die Schauspieler als Kameraleute - sie Bilder werden auf Leinwände an den Längsseiten des Raumes geworfen.

Wer Tarkowskis Film nicht gesehen hat, ist im Prater auch nicht schlechter dran als derjenige, der gelegentlich Sequenzen wiedererkennt. Diese Inszenierung kümmert sich als wildgewordenes und willkürlich wirkendes Assoziationsspiel auf ärgerliche Weise nicht um den Zuschauer, sondern kreist ganz um die auf den Proben gefundenen Einfälle. Hartmann und seine diesmal sehr undifferenziert und grob wirkenden Darsteller wollen hoch hinaus: sie assoziieren, ohne die Ausgangspunkte zu benennen. Da müssen sich alle ausziehen und nackt aufeinanderlegen - oder Herbert Fritsch muss einen Lift installieren und mit ihm hin und her an die Decke zu einer immer wieder verlöschenden Glühbirne fahren. Bei solchen Szenen zeigt sich, dass Sebastian Hartmann nicht den Castorfschen szenischen Witz besitzt, den "Stalker" auf der Bühne verlangt.

Hartmut Krug

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