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Kultur: Steig in die Jenseits-Kutsche

INSTALLATION

Liebe. Hass. Saalernte. Missernte. Vier Schlagworte flankieren den Eingang zu Jonathan Meeses Kunstkosmos, vier glutäugige Fotoporträts des Künstlers, auf denen die Begriffe wie ein Manifest eingeschrieben sind. Doch damit ist längst nicht alles gesagt. Denn der in Berlin lebende Meese liebt Wortkaskaden und Bilderfluten. Sein Metier ist die Materialschlacht. Die Kestner Gesellschaft Hannover schafft jetzt Raum für diese Obsessionen und holt Meeses Malerei, Fotoarbeiten und Installationen großflächig auf die Eingangsetage (Jonathan Meese. Revolution, bis 26. Januar, Katalog 20 Euro).

Monumental geht es zu, wenn der 32-Jährige malt: Pornoqueens bevölkern die Szene, Burgzinnen dräuen im Hintergrund, rot blutet ein herausgerissenes Herz. Und über allem breitet eine messianische Gestalt ihre Arme aus – das Meese-Ich mit Struwwelpeterhaar. So inszeniert der Mann sich am liebsten: als Richtergott über eine Welt aus Mythen und Müll. Hitler und Stalin spielen darin ihre Rollen, Conan, Björk und ägyptische Götter. Bildzitate gibt es jede Menge, Lösungen und Erkenntnisse keine. Alles ist – wie in der Literatur eines James Joyce – angelegt als endloser train of thought. Wer sich ihm anvertraut, kann eigene Erinnerungswelten bereisen. In der Installation „Die Jenseits-Kutsche“ findet Meese die passende Metapher dazu. Skelette fläzen sich auf dem Holzgefährt zwischen überbordendem Trash. Unter der Last des Wohlstandsmülls ist die seltsame Prozession zum Stillstand gekommen. Eine „Revolution“, wie der Ausstellungstitel sie verspricht, ist mit diesem Ensemble nicht anzuzetteln. Doch ernsthaft hat das von Jonathan Meese wohl auch niemand erwartet.

Kristina Tieke

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