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© Anne-Katrin Breitenborn

Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Warum der Musikbereich der SPK ein Bauernopfer werden könnte

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz soll sich verändern, darüber sind sich alle einig. Doch für den Bereich Musik könnte das negative Folgen haben.

Im Schatten der Philharmonie führten sie bislang ein beschauliches Eigenleben: die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Staatlichen Instituts für Musikforschung und des Berliner Musikinstrumentenmuseums.

Die Arbeitsbedingungen sind ideal, die Verkehrsanbindungen ebenso, das architektonische Ambiente wirkt inspirierend, stammt der Entwurf für das 1984 eröffnete Gebäudeensemble doch ebenfalls von Hans Scharoun. Aus der Institutsbibliothek hat man einen Panoramablick übers Kulturforum, hinter den Fensterfronten der lichten Museumshalle grünt der Tiergarten.

Jetzt allerdings hat das Gutachten des Wissenschaftsrates zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz Institut und Museum in grelles Licht gerückt: Zu den wenigen konkreten Vorschlägen, die in der Evaluierung gemacht werden, gehört, dass die kleinste Abteilung der Stiftung aufgelöst und unter dem Dach der anderen Museen eingegliedert werden soll.

Mit erstaunlich scharfen Worten wird die bisherige Arbeit beschrieben, auf lediglich zwei der 278 Seiten des Gutachtens. Eine überregionale Bedeutung wird dort „allenfalls teilweise“ attestiert.

Die drei Abteilungen des Hauses stünden „weitgehend unverbunden nebeneinander“, „die Kooperationen des Instituts sind schwach ausgeprägt und konzentrieren sich vorrangig auf Berlin“. Eine „überzeugende Strategie zur Entwicklung von Forschungsfragen“ vermisst das Gremium ebenso wie Erfolge bei der Einwerbung von Drittmitteln.

Vorrangige Beschäftigung mit Partituren

Dieser Frontalangriff macht Institutsdirektor Thomas Ertelt betroffen. Denn er fühlt sich missverstanden. Sinn und Zweck seiner Einrichtung definiert er nämlich ganz anders als die Gutachter.

„Wir sind ein Institut, das ein Museum hat“, betont er im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Die Sammlung historischer Instrumente gibt es zwar schon seit 1888, die musikologische Forschung kam 1917 dazu, doch seit 1935, als beide Teile zur institutionellen Einheit verschmolzen wurden, hat sich die heutige Aufteilung etabliert, bei der die Wissenschaft im Vordergrund steht.

Ertelt kann das sehr eloquent erklären: In allen anderen Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gibt es keine Trennung zwischen dem Fachgebiet und den Objekten. Eine Gemäldegalerie präsentiert Gemälde, eine Skulpturensammlung stellt Skulpturen aus.

Die Musikinstrumente jedoch, die man im Museum an der Ben-Gurion-Straße sehen kann, sind zweifellos handwerklich meisterhaft gemacht und auf ihre Art allesamt Raritäten – doch sie bleiben letztlich Mittel zum Zweck.

Die Musik, die sich durch sie lebendig machen lässt, jeweils nur für einen flüchtigen Augenblick, manifestiert sich als Kunstwerk in schriftlicher Form. Darum sind die Partituren die Objekte, mit denen man sich hier vorrangig beschäftigt, und nicht die Instrumente.

Gedankenarbeit mit Ausstellungsobjekten verknüpfen

Natürlich weiß Thomas Ertelt um das Dilemma, das sich mit dieser Argumentation verbindet. Denn der öffentlichkeitswirksame Teil seiner Arbeit ist nun einmal das Museum. Die Forschung dagegen spielt sich weitgehend im stillen Kämmerlein ab.

Als seine Hauptaufgabe sieht es der Direktor darum an, die Gedankenarbeit mit den Ausstellungsobjekten zu verknüpfen. Durch Aufführungen beispielsweise, bei denen für die Zuhörer Musik im historischen Kontext erfahrbar wird.

Bei denen sich also Hintergrundinformationen aus Wissenschaftlermund und Interpretationen aus Künstlerhand vereinen, zu einem doppelt erhellenden Erlebnis für die Besucher.

Mehrere Konzertreihen veranstaltet das Staatliche Institut für Musikforschung im hauseigenen Hans-Sachs-Saal oder auch in der Museumshalle selber, es gibt pädagogische Aktivitäten, sehr beliebt ist die Vorführung der riesigen, zu den verrücktesten Klangspielereien fähigen Wurlitzer-Kinoorgel an den Wochenenden.

In Vorbereitung befindet sich zudem ein „Sound an Vision Experience Lab“, das auf sinnliche Weise vorführen soll, wie sich optische Reize auf das Hörempfinden auswirken. In einem mit hochkomplexer Technik ausgestatteten Raum wird es für die Besucher möglich sein, verschiedene Konzertsäle zu simulieren, restaurierte und nicht restaurierte Instrumente zu vergleichen oder auch die Schwierigkeiten von Personen mit eingeschränktem Hörvermögen nachzuvollziehen.

Die Verbindung zwischen Institut und Museum ist erhaltenswert

Seit Kurzem gibt es einen digitalen Museums-Guide fürs Smartphone sowie ein Hörquiz, das man online machen kann. Über die Website www.simpk.de kann man zudem die vom Institut entwickelte „Topographie des Berliner Konzertlebens“ aufrufen, einen interaktiven Stadtplan, auf dem alle Orte verzeichnet sind, die für die hauptstädtische Musikgeschichte wichtig waren oder sind.

Die Verbindung des Instituts für Musikforschung und des Musikinstrumentenmuseum, findet Thomas Ertelt, ist eine einmalige Sache und unbedingt erhaltenswert. Er will bei der Neuordnung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz für die Erhaltung der institutionellen Konstruktion werben – so lange es geht.

Denn seine Zeit läuft ab, eigentlich hätte er zum 31. Januar 2021 in den Ruhestand gehen sollen, lediglich wegen des Evaluierungsprozesses wurde der Vertrag um ein halbes Jahr verlängert.

Über die Ausschreibung der Stelle, die zeitnah erfolgen soll, hätte die Stiftung allerdings nun die Handhabe, jemanden auszuwählen, der sich kampflos in das Schicksal fügt, das die Stiftungsleitung ihrer kleinsten Einzelabteilung vorbestimmt.

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