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Kultur: Stille aus Musik

"Salzburger Kontrapunkte" im Kammermusiksaal der PhilharmonieVON GREGOR SCHMITZ-STEVENSSeit 1994 gibt es bei den Salzburger Osterfestspielen die Reihe "Kontrapunkte".Angeregt durch Claudio Abbado und Mitglieder der Berliner Philharmoniker, wird dort überwiegend moderne Kammermusik gespielt.

"Salzburger Kontrapunkte" im Kammermusiksaal der PhilharmonieVON GREGOR SCHMITZ-STEVENSSeit 1994 gibt es bei den Salzburger Osterfestspielen die Reihe "Kontrapunkte".Angeregt durch Claudio Abbado und Mitglieder der Berliner Philharmoniker, wird dort überwiegend moderne Kammermusik gespielt.In diesem Jahr präsentierten die Philharmoniker mit einem "Vor-" und "Nachklang" das Salzburger Kammermusikprogramm auch im Berliner Kammermusiksaal. Mit Werken von Bartók und Martinu einerseits, Schnittke und Kancheli andererseits, wurden exemplarisch ästhetische Positionen vorgestellt, die osteuropäische Komponisten gegen Anfang und Ende unseres Jahrhunderts entwickelt haben.Die vielfältigsten Einflüsse spiegelt Bohuslav Martinus zweites Streichtrio, das 1934 in Paris entstanden ist.Rainer Kussmaul, Wolfram Christ und Georg Faust spielten es virtuos, ließen die anspruchsvolle Musik zwischen Expressionismus, Neoklassizismus und Jazz changieren.1936 schrieb Béla Bartók seine Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug, in der er konsequent die strukturellen und klanglichen Ideen der beiden ersten Klavierkonzerte weiterverfolgt.Majella Stockhausen und Markus Becker (Klavier), Rainer Seegers und Franz Schindlbeck (Schlagzeug) gelang eine mitreißende Interpretation: ausgewogen im ersten Satz, geheimnisvoll im zweiten, heiter und tänzerisch im letzten. Martinu und Bartók mußten während des Zweiten Weltkrieges emigrieren, der georgische Komponist Gjia Kancheli ist heute vor den Unruhen in seiner Heimat geflohen.Seine "Nachtgebete für Streichquartett und Tonband" (1991) atmen die Sehnsucht eines Vertriebenen.Wie auch Alfred Schnittkes "Hymnus II" (1974) für Cello und Kontrabaß greift Kanchelis Werk auf basale musikalische Elemente zurück, die in raffinierter Weise zu etwas Neuem, bislang Ungehörtem zusammengesetzt werden.Sowohl das "Apos Quartett" als auch Ludwig Quandt (Cello) und Klaus Stoll (Baß) interpretierten diese wirkungsvolle Musik als Sinnbild innerer Ruhe.So erfüllte sich Kanchelis Ideal: "Aus Musik entsteht Stille, und zuweilen wird die Stille selbst zur Musik." Das führten die Philharmoniker bei diesem "Nachtgebet", das mit dem Knabengesang "Domine, exaudi vocem meam" vom Tonband endet, eindringlich vor.

GREGOR SCHMITZ-STEVENS

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