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Kultur: Stimmen ohne Raum

Wenn ein vermeintlich bombensicheres Stück wie Monteverdis "Marienvesper" langweilig wird, dann muß in der Interpretation einiges schiefgelaufen sein.Als grundsätzlich ungeeignet für dieses Werk erwies sich im von René Jacobs geleiteten dritten Abonnementskonzert des RIAS-Kammerchors der große Saal der Philharmonie.

Wenn ein vermeintlich bombensicheres Stück wie Monteverdis "Marienvesper" langweilig wird, dann muß in der Interpretation einiges schiefgelaufen sein.Als grundsätzlich ungeeignet für dieses Werk erwies sich im von René Jacobs geleiteten dritten Abonnementskonzert des RIAS-Kammerchors der große Saal der Philharmonie.Der Raum verlangt eine große Besetzung, bietet aber nicht die erforderliche Logistik, um vielfältig wechselnde Gruppierungen und Aufstellungen der Mitwirkenden problemlos zu bewerkstelligen.Die aber sind nötig, um die verschiedenen Schichten der Komposition räumlich und akustisch deutlich voneinander zu trennen.Jacobs versuchte dem Problem durch Positionswechsel auf dem Podium beizukommen.Das Ohr des Hörers erreichte die differenzierte musikalische Struktur über weite Strecken aber trotzdem nur als monochrome Klangfläche.Dort, wo Raumwirkungen möglich waren, in den von der Orgelempore aus gesungenen Echos des "Audi coelum" oder im Dialog der beiden links und rechts postierten, konzertierenden Solo-Violinen des Magnificats, belebte sich das Klangbild augenblicklich.Der Wettgesang der drei Engel im "Duo Seraphim", um nur ein Beispiel für viele zu nennen, fiel dagegen enttäuschend indifferent aus.Ganz im Gegensatz zu den Farbexplosionen seiner Aufnahme mit dem Nederlands Kamerkoor von 1996 scheint Jacobs diesmal aber auch konzeptionell auf eine Beruhigung der Oberfläche gesetzt zu haben.Der Continuo-Apparat des traumwandlerisch aufeinander eingespielten Concerto Vocale beschränkte sich auf eine bescheidene Minimalbesetzung aus Orgel und Violone mit hinzutretender Laute und Gambe.Im Vokalbereich wurde auf Verzierungen fast ganz verzichtet, und auch im Herausarbeiten sinntragender Stimmen und markanter Einsätze gab sich die RIAS-Kammerchor zurückhaltend.Unter günstigeren Voraussetzungen mag dieses Konzept noch einmal überprüft werden.In der Philharmonie war die allgemeine Verunsicherung unter den Interpreten jedoch mit Händen zu greifen.

BORIS KEHRMANN

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