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Kultur: Stock-Werk

Martin Grubinger trommelt in der Philharmonie

Für den Auftritt am Pfingstmontag in der Hauptstadt hat er sich fein gemacht, zum ersten Mal die neuen Schuhe angezogen, die seine Mutter ihm geschenkt hat, ein elegantes Modell, natürlich mit Ledersohle. Doch als nach dem ersten Stück in der nahezu ausverkauften Philharmonie der Applaus aufbrandet, flüstert Martin Grubinger seinem Pianisten Per Rundberg etwas ins Ohr. Der Klavierspieler verschwindet und reicht ihm kurz darauf ein Paar ausgetretener Sneakers – die neuen Schuhe, erklärt Grubinger dem verblüfften Auditorium, waren einfach noch zu rutschig.

Einen festen Stand braucht der 28-jährige Österreicher in der Tat für seinen Job: Denn er wird zweieinhalb Stunden lang alle nur erdenklichen Schlaginstrumente bedienen, vom Marimbaphon bis zur Holzblock-Stiege, mit bis zu sechs Schlegeln gleichzeitig, die er in derart rasanter Geschwindigkeit auf- und niedersausen lässt, dass man teilweise nurmehr deren weißen Kondensstreifen zu sehen meint. Harte Arbeit ist das, bald schon spritzt ihm Schweiß von der Stirn.

Mehrfach war der Multiperkussionist in dieser Saison schon mit Orchesterbegleitung in Berlin zu erleben. Am umwerfendsten aber ist er, wenn er, wie jetzt, nur mit einer Handvoll Schlagzeugerfreunde auf der Bühne steht – seinem Vater und seinem Lehrer, einem Kumpel aus Schultagen sowie einer der wenigen Frauen, die sich für eine Karriere als Profiperkussionistin entschieden haben.

Martin Grubinger hat alles, was David Garrett abgeht. Wo der Geiger in seichten Pop abgleitet, sich mit Pyrotechnik und Pseudoprivatem bei den Kunden anbiedert, Kunst als künstliche Show verhökert, ist der Trommler immer authentisch. So locker, so organisch-selbstverständlich wie seine Gestik bleiben die Moderationen, bei allem Schauwert, allem virtuosen Stock-Gewirbel sind die ausgwählten Stücke von hoher Komplexität – großartige Kunstmusik vom wuchtigen Archaiker Iannis Xenakis oder der japanischen Marimbaphon-Pionierin Keiko Abe. Mit offenem Mund lauscht der Normalsterbliche, der schon die Frage für vertrackt hält, wo denn beim Wort Rhythmus nun die zwei „h“ hingehören. Und obwohl es hier doch so naheläge, nötigt Martin Grubinger sein Publikum nie zum Mitklatschen – weder im Takt noch off beat. Danke. Frederik Hanssen

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