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Haare, mit Pasta frisiert. Alfons Mucha, Allegorie der Musik, 1898.

© Mucha Trust 2013

Ausstellung „Mucha Manga Mystery“: Strähnen lügen nicht

Das Berliner Bröhan-Museum spürt den Gemeinsamkeiten von Alfons Muchas Grafiken und japanischen Mangas nach. Eine wirklich fruchtbare Auseinandersetzung entsteht dabei aber nicht.

An den „Maccheroni“ von Alfons Mucha kommt im Europa der Jahrhundertwende niemand vorbei. Mit dem Nudelgericht bezeichnete man damals Muchas Stil, Haare zu malen. Seine personifizierten Sinnbilder und Porträts sähen aus wie mit frischer Pasta frisiert, hieß es. Dicke Strähnen umspielen etwa die Gesichter vier allegorischer Darstellungen der Künste. Als umworbener Meister der dekorativen Grafik der Art Nouveau konnte Mucha den leisen Spott wohl verschmerzen. Er verleiht aber nicht nur dem Haar diesen viskosen Schwung. Alles an diesen stets deutlich konturierten Körpern steht unter Spannung. Der „Tanz“ schmeißt die Haare und stellt sich auf die Zehenspitzen, um eine Ballettpose anzudeuten. Eine goldlockige „Malerei“ setzt ein Blümchen und vor allem sich selbst in Szene. Die „Musik“ ist von Kopf bis Fuß ganz melodische Harmonie, und die Poesie versinkt nicht minder graziös in offensichtlicher Nachdenklichkeit.

Form und Figur verschmelzen in Muchas Bildern zu einem Ornament der Gefälligkeit und des lebenslustigen Wohlgeschmacks. Ob Zigaretten, Champagner oder die Theaterkönigin Sarah Bernhardt: Mucha hat ihnen allen zu werbewirksamen Auftritten verholfen und mit seiner frivolen, aber nie ordinären Eleganz den Geist des Fin de Siècle verkündet. Und nachhaltig auch die Jugend späterer Generationen begeistert – als der Jugendstil längst verklungen war. Mucha-Plakate werden in Kunstklassen und von Hobbyzeichnern kopiert, seit jeher gehören sie zum Repertoire des Posterversandhandels. Der unverwechselbare Stil des Tschechen, der seine Spuren in München, Paris, New York und Prag hinterließ, wird seit 100 Jahren immer wieder zitiert und ist bis in die Niederungen der Geschenkpapiergestaltung nachweisbar.

Die Ausstellung hätte ein großer Wurf sein können...

Manga, japanische Comics, sind sogar fast 1000 Jahre alt. Ihren Boom erfahren sie aber erst seit einigen Jahrzehnten. Die Heldinnen, die sich durch Manga-Welten kämpfen, fallen nicht nur durch ihre großen, zitternden Augen auf, sondern auch durch die charakteristisch silhouettenhafte Zeichnung. Besonders die Haare drücken wie bei Muchas Protagonistinnen eine spannungsgeladene Vitalität aus. Diese eher formale Gemeinsamkeit hat das Schweizer Museum Bellerive in Zürich dazu inspiriert, in einer Ausstellung Alfons Muchas Druckgrafik auf aktuelle Manga-Comics treffen zu lassen und nach weiteren Verbindungslinien zu suchen. „Mucha Manga Mystery“ wird nun auch im Berliner Bröhan-Museum gezeigt.

Für das bei aller Qualität der Sammlung doch etwas angestaubte Berliner Landesmuseum für Jugendstil, Art Deco und Funktionalismus hätte das Projekt ein großer Wurf sein können, mit dem jüngere Generationen ins Museum gelockt werden könnten. Doch die Ausstellung traut sich weder, die Exponate in einen gemeinsamen Kontext zu setzen, noch kulturwissenschaftliche Aufklärungsarbeit zu leisten.

Die Subkultur von Manga, abenteuerlichen bis erotischen Graphic Novels und Anime – also Animationsfilmen im gleichen Stil – sowie die dazugehörigen Merchandising-Produkte wie Figuren oder Poster haben sich in den letzten zwanzig Jahren zu einem globalisierten Mainstream entwickelt, der mehr und mehr auch Jugendliche außerhalb Asiens in den Bann zieht. Die Faszination gilt dabei der Verquickung der außergewöhnlichen und mit Seh- und Lesegewohnheiten brechenden Bildsprache mit der Konstruktion einer Ästhetik, die über die Bücher und Objekte selbst auch das Leben der Manga-Fans bestimmt.

...aber Mucha und Manga kommen im Museum nicht zusammen

Und mit Alfons Mucha war es ja tatsächlich ganz ähnlich. Wenn man den adrett gekleideten Künstler auf einem groß aufgezogenen Foto zwischen exotischen Pflanzen, Möbeln und geheimnisvollen Artefakten sitzen sieht, erkennt man den Ästhetizisten, der nach der Verfeinerung aller Sinne strebt und eine künstliche Welt entwirft. In dieser Welt sind Frauen Heroinen, da werden Musik und Malerei zu fantastischen Gespielinnen und jedes Ornament wird in unersättlicher Schönheit überhöht. Auch Manga spielt mit der Sehnsucht nach einem jugendlichen Heldentum, nach einem Zauber, den die gegenwärtige Welt nicht versprechen kann.

Doch kommen Mucha und Manga im Bröhan-Museum nicht zusammen. Die Heldinnen des europäischen Jugendstils werden leider nicht auf ihre japanischen Waffenschwestern im Geiste losgelassen. Muchas Grafik bleibt für sich, wie auch die Beispiele für die Manga-Kultur, die getrennt voneinander ihre Museumsräume beziehen. In einer den Exponaten völlig unangemessenen Biederkeit vermeidet die Ausstellung eher den Kontakt als das sie versuchte, in das selbst beschworene Mysterium einzutauchen.

Auch die Popmusik, die sich in der Hippie-und-Psychedelic-Ära der Sechziger und Siebziger gern der exaltierten Typografie und Zeichenkunst Muchas bediente, funktioniert nicht als Bindeglied. An die Wand geheftete Plattencover und Flyer hinter Glas bleiben ebenso leblos wie ausgelegte Comichefte. Formale Ähnlichkeiten reichen nicht für eine fruchtbare Auseinandersetzung.

„Mucha Manga Mystery“, Bröhan-Museum, bis 2. März 2014, tägl. außer Mo 10–18 Uhr

Marcus Woeller

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