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Kultur: Sturm über dem Plüschteppich

Der Mensch als Spielball der Natur: Fotografien von Rosemary Laing in der Galerie Conrads

Sie stürzt und wirbelt, purzelt und fliegt. Ein Orkan hat die Frau erfasst, hebt ihren Körper in die Höhe, schleudert ihn durch die Luft oder zieht ihn wie eine Windhose in dunkle Tiefen. Silbrig glänzende Papierschnipsel prasseln auf die Fallende nieder, die sich ganz den Kräften der Natur hingibt. Für ihre Serie „Weather“ hat die australische Fotografin Rosemary Laing Schrecken und Schönheit des Sturms erforscht. Doch wie beim Klimawandel sind die Naturgewalten hausgemacht: Laing hat eine Stuntfrau dem Windkanal eines Filmstudios ausgesetzt.

Die verstörende Begegnung zwischen Mensch und Natur durchzieht das Werk der Fotografin seit ihren Anfängen in den 80er Jahren. Während ihre berühmte Kollegin Tracey Moffatt wegen ihrer indigenen Vorfahren mit dem Land verwurzelt ist und deshalb leidenschaftliche Bilder aus dem glühenden Inneren festhält, blickt Rosemary Laing mit Distanz auf den Kontinent. Es ist die vorsichtige Fremdheit, die sich die Nachfahren der britischen Kolonialherren bewahrt haben. Die Künstlerin ist 1959 in Brisbane geboren und hat Malerei studiert. Eine ihrer Serien wurde von John Glover, dem bekanntesten australischen Landschaftsmaler, inspiriert. Glover siedelte Anfang des 19. Jahrhunderts mit seiner Familie nach Tasmanien über. Er malte sein neues Heim inmitten der exotischen Natur wie ein vertrautes englisches Cottage. Für „Groundspeed“ von 2001 legte Laing einen mit Blümchen gemusterten Plüschteppich im Regenwald aus und zähmte die Wildnis mit Wohnzimmergemütlichkeit. Bis heute züchtet sie in ihrem Landhaus an der Küste Orchideen, Naturschönheiten voller Kitsch und Künstlichkeit.

Ihre eigentliche Faszination aber gilt dem Fliegen. Lange lag ihr Atelier in der Nähe des Flughafens von Sydney. Dort beobachtete sie die Flugzeuge und fotografierte eine Windsbraut, die wie eine Wolke von Magritte im bauschenden Kleid vor dem blauen Himmel schwebt. Nach dem 11. September 2001 färbte eine Schusswunde das Brautkleid rot. „Bulletproofglass“ hieß Laings Kommentar zu Terror und Irakkrieg.

Stark sind ihre Fotos, wenn sie die Schwebe halten zwischen zarter politischer Andeutung und ästhetischer Klarheit. Ihre Kunst stürzt ab, wenn die Symbolik zu deutlich wird. In der Serie „Weather“ aber stellt sich diese rätselhafte Leichtigkeit ein, wie sie mitunter in einem Unwetter zu spüren ist: das Staunen über die Energie, die sich entlädt, die angstvolle Lust an der Kraft der Elemente und das Wissen um die eigene Ohnmacht. Simone Reber

Galerie Conrads, Brunnenstr. 188; bis 26. 1., Di- Fr 14 - 19 Uhr, Sa 12 - 18 Uhr.

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