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Kultur: Synthese der Künste - im Prenzlauer Berg bieten Raumklanginstallationen ungewöhnliche Hörerlebnisse

Rohrpostsysteme sind längst außer Mode geraten. Die Kunst erweckt sie jedoch zu neuem Leben.

Rohrpostsysteme sind längst außer Mode geraten. Die Kunst erweckt sie jedoch zu neuem Leben. Im Großen Wasserspeicher in der Belforter Straße am Prenzlauer Berg hat Henry Mex im Rahmen des Kryptonale-Festivals ein transparentes Röhrengewirr installiert, das sich weit in die Gänge des Raumes verzweigt. Von Kurvengabeln bewegte Klappen fallen im Zyklus von zehn bis 68 Sekunden auf die Rohrmündungen und erzeugen perkussive Schläge, die sich in rhythmischer wie räumlicher Überlagerung im Speicher ausbreiten. Selbst wer an der sacht surrenden Maschine im Zentrum steht, an der eine Fahrradkette über Zahnräder surrt, meint die Klänge aus der Ferne zu hören - wo du nicht bist, da spielt die Musik, materialisiert und ungreifbar zugleich (bis 19. 9., Montag bis Freitag, 16 - 23 Uhr, Sonnabend und Sonntag 14 - 23 Uhr).

Der Große Wasserspeicher (Achtung, warm anziehen!) wird bei der fünften Kryptonale von drei Künstlern bespielt. "Recur" heißt die Gemeinschaftsarbeit, zu der Karen Bartram, die zusammen mit Henry Mex und dem Komponisten Johannes Wallmann das Kuratorenteam der Kryptonale bildet, einen stummen Part beigesteuert hat. Die Künstlerin spannte luzide Kunststoffgewebe quer über die konzentrischen Gänge und projiziert mit kräftigem Pinsel gezogene Tormarkierungen, wo kein Durchkommen mehr ist. Nur an einer Stelle täuscht die Projektion mit einem realistischen Bild des hinter der Leinwand liegenden Ganges den Besucher, der durch einen Schlitz im Gewebe diese Wand beherzt durchschreiten mag - um mit Hegel durch die Täuschung, die dem Kunstwerk wesentlich ist, hindurchzugehen.

Im Außenring des Wasserspeichers verläuft eine lange Tonbandschleife, die Boris Hetzer und Stefan Tkotz an altertümlichen Spulentonbandgeräten vorbeiführen. Stumme Abschnitte sind am leuchtend gelben Leerband zu erkennen, die braunen Tonbandstücke enthalten - was wäre in diesem Raum anderes zu erwarten - hallige Wassergeräusche. Das Tonband ist im Laufschritt leicht zu überholen - so kann der Hörer physisch "Vorspulen".

Der Kleine Wasserspeicher in der Kolmarer Straße wird Raum für Konzerte bieten: am 17. und 18. 9. für (Ur-)Aufführungen von Soundscapes und Elektronischer Musik, heute für das Kammerensemble Neue Musik mit Werken von Rodney Sharman und Iannis Xenakis, eine Multimedia-Arbeit von Ulrich Schlotmann (Sprache), g.ess. zeitblom (Musik) und Videos von Tanja Diezmann und Tobias Gremmler, sowie eine Improvisation des Trios Armchairtraveller. Am 11. 9. folgen drei Raumkompositionen von Johannes Wallmann mit Projektionen, Live-Malerei und Tanz, nebst Kammermusik mit Frank Gutschmidt (Klavier) und dem Ensemble work in progress, darunter Uraufführungen von Peter Köszeghy und Klaus Lang.

Der das Kryptonale-Programm durchziehende Gedanke von der Synthese der Künste bricht sich auch in diesem Raum in einer Klanginstallation Bahn. Für "Landschaft mit Tönen" hängten Susanne Stelzenbach und Ralf Hoyer einen Granitbrocken an ein Drahtseil und versahen ihn mit vier elektrischen Summern. Über einem Sandkreis elliptisch pendelnd, durchläuft er Scheinwerfer-Lichtkegel und erzeugt so das wechselnde Spiel von Licht und Schatten selbst, das zu sich organisch entwickelnden Rhythmen führt. So entstehen hohe Impulsketten und kleine Pfeif-Glissandi, die in engerer Beziehung mit der Bewegung des Steines stehen, als es Musik und Kunst, Sprache oder Tanz je vermochten.Bis 19. 9., Montag bis Donnerstag 16 - 23 Uhr.

Bis 19. 9.[Montag bis Donnerstag 16 - 23 Uhr.]

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