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Kultur: T-Shirts her!

Olympia-Tagebuch (8) / Von Petros Markaris

Philhellenen nennen wir die Freunde Griechenlands. Die Olympischen Spiele haben den Philhellenen neuen Aufschwung gegeben, allen voran den deutschsprachigen. Hat das mit der Liebe der Griechen für Otto Rehhagel zu tun? Ist der Philhellenismus der Deutschen eine Reaktion auf den „Philogermanismus“ der Griechen? Kaum. Es hat mit Athen zu tun. Was spüren Deutsche, Schweizer, oder Österreicher, wenn sie zum ersten Mal nach Athen kommen? Entsetzen. Wenn das eine Metropole ist, dann die Metropole von Lärm und Chaos.

Nach ein paar Monaten stehen die selben Deutschen, Schweizer oder Österreicher auf dem SintagmaPlatz und lächeln glückselig. Von Entsetzen ist nichts mehr zu spüren. Was ist geschehen? Athen hat sie einfach in seinen Bann gezogen. Sie sitzen in den Cafés bis spät in die Nacht hinein, fahren wie die Griechen, und es stört sie überhaupt nicht, dass die Gehwege in Athen eigentlich „Stehwege“ sind ...

Vor ein paar Tagen war ich mit zwei deutschen Freunden zusammen, die seit Jahren in Athen wohnen. Beide schwärmten vom „neuen“ Athen. Als ich mich traute einzuwenden, dass die Stadt nicht mehr als ein bescheidenes Lifting bekommen hat, begann einer der Freunde, ganz stolz alles Neue in Athen aufzuzählen, als wäre er ein gebürtiger Athener und ich aus Düsseldorf. Am Ende kam dann die Moral dazu: „Du solltest über deine Stadt nicht schlecht reden, lieber Petros!“ Meine Ambivalenz wurde nicht toleriert.

Letzten Sonntag lernte ich im Athener Helvetia-Haus eine Schweizerin kennen. Am Anfang wollte sie in die Schweiz zurückkehren, sagte sie. Dann hat aber Athen aus der Schweizerin eine Griechin gemacht. Und was für eine! Sie hat die Stadt so vehement verteidigt, wie Dora Bakojianni, unsere Bürgermeisterin. Ich hatte bereits meine Lektion begriffen und schlug einen anderen Pfad ein. „Ja, aber die Touristen sind nicht gekommen“, sagte ich. „Wir wollten doch einen Teil von unseren enormen Schulden durch die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr zurückzahlen.“ „Ach, Schulden“, sagte sie abwertend. „Natürlich wird es Schulden geben, aber es hat sich gelohnt. Und die Touristen kommen nächstes Jahr.“ Und sie setzte ihre Zukunftsvision fort, die fast an die Utopie grenzte. Das kann doch nicht sein, dachte ich. Die Unternehmerin hat die Zukunftsvision und der Autor die trockenen Zahlen?

Ich würde Frau Gianna Angelopoulou empfehlen, den Deutschen, Schweizern und Österreichern, die in Athen wohnen, ein Olympia-T-Shirt zu schenken. Sie leisten mindestens genauso wertvolle Arbeit für Athen wie die freiwilligen Hilfskräfte der Olympiade, die diese T-Shirts tragen.

Petros Markaris lebt als Autor und Übersetzer in Athen. Seine Krimis sind auch in Deutschland Bestseller. Im Tagesspiegel erscheint dreimal wöchentlich sein Olympia-Tagebuch.

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