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Bilder der Instragram-Wirklichkeit. Ein Foto von Lina Scheynius.

© Courtesy Galerie Tanja Wagner, Berlin

Tanja Wagner zeigt Lina Scheynus: Lust und Frust

Frauenkörper abseits von Objektivierung: Die schwedische Fotografin Lina Scheynius ergründet in der Galerie Tanja Wagner weibliche Intimität.

Eine ältere weibliche Brust, die sich an eine junge schmiegt. Die eine füllt den Raum aus, den die andere freilässt. Kein künstliches Licht, keine nachträgliche Korrektur – so sind die feinen Risse sichtbar, die sich in den unteren Hautschichten gebildet haben. Risse, die oft verschwiegen werden, weil sie zum Jungsein nicht passen.

Die schwedische Fotografin Lina Scheynius rückt den weiblichen Körper und seine Sexualität in den Fokus und hat dafür eine Form gewählt, die bestens in die Instagram-Wirklichkeit passt: Sie fotografiert sich selbst und ihr Umfeld. Zu ihren Motiven gehören auch ein Babybauch oder eine mit Sperma benetzte Hand. Bei Scheynius wird diese Körperflüssigkeit durch Lichtreflexionen zu einer Kostbarkeit. Mit Kolumnen in der „Zeit“ wurde die Schwedin 2012 bekannt. Jetzt hängen die Bilder der 37-Jährigen in der Galerie Tanja Wagner (400 bis 5000 Euro).

Ihr Sujet lässt den Betrachter zum Voyeur werden. Die Natürlichkeit der Szenen könnte auch Scham auslösen. „Diary“ hat Scheynius die Fotos betitelt. Der Galeriebesucher kann sich die Geschichten, die hinter den einzelnen Fotos stecken, ausmalen. Als die Schwedin mit den privaten Aufnahmen anfing, gab es noch keine Smartphones, weswegen keinerlei Gefahr bestanden habe, dass die Bilder sich im Netz verbreiten, sagt sie. Ihre Einstellung veränderte sich mit der Zeit, heute teilt sie ihre Fotos auf Instagram.

Scheynius fühlte sich als Model nicht wohl

Ein grüner Halm auf dem Babybauch, rosafarbene Rosen hinter einem verweinten Gesicht, denn zur Liebe gehört auch der Schmerz. Aber ist Liebeskummer nicht eher grün vor Rotz und düster vor Angst? Und ist eine Frau nach der Geburt nicht verschwitzt und erschöpft? Wie ehrlich ist diese Ästhetik?

In ihrer Kolumne hat Scheynius von ihrer Model-Karriere erzählt. Mit der schmalen Figur und den roten Haaren kann sie punkten, wird von Casting zu Casting geschickt. Doch das erhoffte Glück tritt nicht ein. Stattdessen fühlt sie sich nicht mehr wohl in ihrer Haut und erlebt, wie Männer – die meist hinter der Kamera stehen – ihre Grenzen austesten oder sogar überschreiten. Mit 26 Jahren steigt sie aus.

Ein neuer Blick

Mit ihren Fotos versucht Scheynius, sich gegen die Objektivierung des weiblichen Körpers zur Wehr zu setzen. Dabei hat sie den Blick auf ihn nur modifiziert. Auch ihre Augen haben Ausschnitte gewählt, die die Phantasie gezielt in eine bestimmte Richtung lenken. Weiblichkeit wird mit Weichheit in Verbindung gebracht, mit Milde und Formbarkeit. Auch dass Hände und Finger in den Dienst der Erotik gestellt werden, ist nichts Neues. Trotzdem haben Scheynius' Bilder ihren Reiz, und sie bringen neue Gedanken. So spielt sie Jung und Alt nicht gegeneinander aus, sondern bindet beide Generationen in ihre Bilder ein. Dennoch braucht es viel mehr, um den Frauenkörper endlich von der einseitigen Wahrnehmung zu befreien.

Galerie Tanja Wagner, Pohlstr. 64, bis 13.4., Di-Sa 11-18 Uhr

Helena Davenport

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