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Tanzstück „Monument 0“ im HAU 2: Wilde Hexenschaar

Die ungarische Choreographin Eszter Salamon sammelt Stammes- und Volkstänze. In "Monument 0" im HAU 2 beschwören ihre Tänzer ein paar wilde Geistern herauf. Zum Fürchten ist das allerdings nicht.

Von Sandra Luzina

Wie Zombies sehen sie aus, die Gestalten, die sich langsam aus dem Dunkel schälen. Die weiß geschminkten Gesichter mit den kohlschwarzen Augen und Mündern erinnern an Totenschädel. Die zwischen aschgrau und schwarz changierenden Ganzkörpertrikots lassen an die Körperbemalungen afrikanischer Krieger denken. Die Bühnenkrieger rollen mit den Augen, stampfen mit den Füßen, hüpfen auf der Stelle, wirbeln mit Stöcken oder stechen mit Messern. Die Drohgebärden und Attacken werden von gellenden Schlachtrufen oder leisen Gesängen begleitet.

Es ist eine Art Geisterbeschwörung, die die aus Ungarn stammende Choreografin Eszter Salamon in ihrem Tanzstück „Monument 0 – Haunted by wars (1913-2013)“ im HAU 2 unternimmt. Salamon, die in Berlin und Paris lebt, ist fast wie eine Ethnologin vorgegangen. Sie hat Stammes- und Volkstänze aus mehreren Kontinenten gesammelt, die eine besondere soziale Funktion hatten. Sie alle wurden oder werden in Regionen praktiziert, die durch kriegerische Invasionen oder Konflikte geprägt sind. Ein wichtiges Auswahlkriterium war, dass die westliche Welt in diese Kriege verstrickt war.

Der Abend hat was von einer grellen Nummernrevue

Die Kriegstänze, die meist von Männern ausgeführt werden, hat Salamon allerdings im Internet gefunden. In „Monument 0“ werden sie von zwei Tänzerinnen und vier Tänzern unterschiedlicher Herkunft interpretiert. Vom Solo übers Duo bis zum Sextett entwickelt sich der Abend, der etwas von einer grellen Nummernrevue hat. Die wechselnden Kriegsbemalungen und Kostümierungen verleihen dem Stück einen optischen Reiz. Anmutig wirken die beiden Tänzer mit dem Kopfputz, der wie eine Doppel-Axt aussieht – sie sind offenbar von der Dämonendarstellung im indonesischen Tanz inspiriert.

Mit wehenden weißen Haaren wird aus dem Sturmtrupp eine wilde Hexenschar. Das Bewegungsmaterial ist freilich nicht so spannend. Dem Vorgefundenen einen gewissen Dreh zu geben, gelingt Salamon kaum. Und selten hat man den Eindruck, dass der Schrecken in die Glieder gefahren ist.

Der Abend steigert sich nicht zum makabren Totentanz

Vom Ersten Weltkrieg bis in die jüngste Vergangenheit bewegt sich dieses Defilee der Bühnenkrieger. Doch von den Katastrophen des vergangenen Jahrhunderts erzählt es kaum etwas. Am Ende werden alle von einem ekstatischen Wirbel erfasst und zu Boden geschleudert. Wenn sie sich aufrappeln und über die Bühne humpeln, muten sie an wie Invaliden der Schlachtfelder dieser Welt. Doch der Abend steigert sich nicht zum makabren Totentanz. Und obwohl die Tänzer martialisch auftreten mit ihren grimmigen Fratzen, kichert das Publikum des Öfteren.

Über den historischen Kontext der Tänze erfährt man nichts. Und so bleibt schließlich nur die nicht gerade neue Erkenntnis: Der Mensch ist ein kriegerisches Wesen.

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