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Kultur: Teil der Demokratie

Links wie rechts: Karin Priester beschreibt den politischen Populismus als Chamäleon.

Populismus ist der schwarze Peter in der Politik. Politiker und auch Medien benutzen ihn gerne , um den politischen Gegner abzuqualifizieren. Der Begriff steht für Verführung, für Opportunismus und das Spiel mit dem Feuer, etwa im Umgang mit Minderheiten, die sich nur schwer zur Wehr setzen können. Bietet er vielleicht auch Substanz für eine tiefere Reflexion, taugt er zu mehr als zu einem bloßen Kampfbegriff, hat er sogar eine positive Wirkung? Genau darum geht es der Münsteraner Soziologin Karin Priester in ihrem Buch, das im Untertitel „Annäherungen an ein Chamäleon“ auf das Wechselhafte des Phänomens anspielt. Populismus steht für Simplifizierung – bei dem vorliegenden Buch ist es eher umgekehrt, es artet trotz vieler Unterkapitel und einer klaren Gliederung mitunter in Komplexität aus.

Freilich ist der Anspruch, globale Prozesse verständlich zu vermitteln, auch groß. Priester holt weit aus, sucht nach allem, was mit dem Begriff verbunden werden kann: ein Flickenteppich, der die primär amerikanischen Bewegungen Tea-Party und Occupy mit dem lateinamerikanischen Caudillo Hugo Chávez zusammenwebt wie auch dem europäischen parteiförmigen Rechtspopulismus solcher Figuren wie der Französin Marine Le Pen, des Niederländers Geert Wilders und des Österreichers Heinz-Christian Strache. Priester geht es aber weniger um solche Vordergründigkeiten, sondern um demokratietheoretische und gesellschaftliche Fragen. Ihr gelingt es durchaus, diesen Flickenteppich aus Symbolpolitik, Protest und Demagogie zu systematisieren.

Am Ende steht die Frage, wie dauerhaft dieses Phänomen des 21. Jahrhunderts ist, das gemäß der Autorin offenbar an die Stelle der großen Systemauseinandersetzung des 20. Jahrhunderts zwischen den Polen Kommunismus und Faschismus tritt. Dabei, und das behaupten wenige Autoren, kann der Populismus auch von „links“ kommen, wie es nicht nur im lateinamerikanischen Kontext der Fall ist.

Populismus steht für (post-)modernen moralischen, auch unpolitischen Protest, der emotional auf ein Elitenhandeln reagiert. Ohne Fehler der Eliten ist sein Erfolg nicht zu erklären. Überträgt man den Gedanken am Ende des Buches auf die Krise des westlichen Kapitalismus, etwa die gegenwärtige Euro-Krise, steht einer neuerlichen Konjunktur des Populismus nichts im Wege. Anderseits zeigen die Zyklen des Populismus, dass es stets ein Auf und Ab gibt und Prognosen schwierig sind. Die Welle von Tea Party und Occupy ist am Abflauen, in Europa zeigt der Rechtspopulismus außer in Deutschland aber seine Konstanz. Insgesamt scheint es aber so, dass die Politik durch das Tempo von Entscheidungsprozessen und der neuen Kommunikations(sub)kultur insgesamt populistischer wird.

Priesters Buch zeigt, dass eine Beschäftigung mit dem Populismus lohnt, um Wesen, Veränderung und Zukunft der westlichen Demokratien nicht nur aus ökonomischer Perspektive, sondern auch aus politischer, kultureller und gesellschaftlicher Perspektive zu ergründen. Populismus gehört also zur Demokratie, was nach dem Tenor des Buches nicht nur negativ zu deuten ist. Florian Hartleb

Karin Priester:

Rechter und linker

Populismus. Annäherung an ein Chamäleon. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2012. 252 Seiten, 29,90 Euro.

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