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Maler mit Fäden. „Feuer im Ozean“ von Mosta Maftah.

© Thinkart, Casablanca

Teppich-Ausstellung in der ifa-Galerie: Punkte und Knoten

Sie finden in der Kunst nur schwer Anerkennung: Die ifa-Galerie präsentiert in ihrer Feel-Good-Show „Über den Teppich“ eine moderne Kulturgeschichte des Teppichs.

Teppiche sind anders. Mit ihnen sind Geschichten verwoben, sie sind dreidimensional und entstehen aus der Wiederholung der immer gleichen Bewegung. Teppiche zieren die Wand, machen das Heim warm und gemütlich. Sie werden meist von Frauen oder Kindern hergestellt und gelten als Kunsthandwerk. In der Kunst finden sie nur schwer Anerkennung.

Die Feel-Good-Show „Über den Teppich“ in der ifa-Galerie aber zeigt phänomenale Beispiele, in denen sich Handwerk und Kunst begegnen. Von außen lockt der Raum mit behaglicher Atmosphäre, schmeichelndem Licht und weichen Exponaten, die an der Wand oder im Raum hängen. Ganz nebenbei bietet die Ausstellung einen Einblick in die Kunstszene Marokkos. Alya Sebti, seit letztem April Leiterin der ifa-Galerie, war 2014 für die 5. Marrakech Biennale verantwortlich. Mit den Ko-Kuratorinnen Salma Lahlou und Mouna Mekouar begann sie ihre Recherche für ihre Teppich-Ausstellung bei Sheila Hicks.

Die 83-jährige amerikanische Textilkünstlerin lebt heute in Paris und ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Zwei Beispiele „Gebetsteppiche“ von ihr sind nun in Berlin zu sehen. Aus dem sandfarbenen Hintergrund hängen Wollbüschel mit bunten Bändern, zusammengehalten wie Pferdeschwänze. Im zweiten Exemplar formt der erhabene Flor die Umrisse eines maurischen Bogens, einer Himmelspforte gleich. Hicks bereiste in den 70ern auf Einladung der marokkanischen Regierung das Land, um mit einheimischen Webern zusammenzuarbeiten.

Marcel Breuer brachte die marokkanischen Muster ans Bauhaus

Für Amina Agueznay ist die Arbeit am Teppich eine Form der Kommunikation. Nachdem sie acht Jahre als Architektin in den Vereinigten Staaten gearbeitet hatte, kehrte sie nach Casablanca zurück, wo sie heute Teppiche entwirft: „Jeder kann zu mir kommen, sich in mein Atelier setzen und ein Gespräch beginnen, indem er mit Fäden hantiert.“ Ihre Teppiche sind wie Reliefs, erhabene Raster, die in mehreren Schichten übereinanderliegen.

Die ebenfalls gezeigten schwarz-weißen Arbeiten lassen erahnen, warum sich Le Corbusier als einer der Ersten für Berberteppiche aus dem Atlas-Gebirge begeisterte. Bereits 1910 präsentierte Hugo von Tschudi in der Münchner Schau „Meisterwerke Muhammedanischer Kunst“ Teppiche wie Bilder an der Wand. Franz Marc empfahl damals, Kandinskys Kompositionen mit den islamischen Teppichen zu kombinieren.

Später entdeckte Marcel Breuer bei einer Reise durch Nordafrika die marokkanische Textilkunst und brachte die Muster ans Bauhaus in Weimar mit. Dort schuf Anni Albers einen klaren geometrischen Entwurf, ein schwarz-weiß-graues Spiel mit Quadraten, Rechtecken und Linien, das die Nähe von traditionellen Berber-Mustern und klassischer Moderne vorführt.

Jedes Kind war für eine andere Farbe verantwortlich

Josef Albers wiederum war der Lehrer von Sheila Hicks. In der Welt der Teppiche verknüpfen sich die Lebenswege. Mostafa Maftah, 1957 in Casablanca geboren, versteht sich dagegen als Maler. Zu seinen Vorbildern zählt er Antoni Tàpies und Lucio Fontana. „Feuer und Ozean“ heißt seine Farberuption in blauer und roter Wolle, die während des Studiums an der Kunstakademie von Casablanca entstand. In der ifa-Galerie erzählt der Künstler, dass er schon als Kind seiner Mutter zusah, wie sie zwischen Herd und Webstuhl pendelte. Wie er ihr damals beim Knüpfen half, jedes Kind war für eine andere Farbe verantwortlich. Wie er auf der Wolle am Webstuhl einschlief.

Während der Marrakech Biennale 2015 lud der in Berlin lebende Künstler Saadane Afif immer bei Sonnenuntergang zur Performance auf dem zentralen Platz Jemaa el Fna. Ein Mathematiklehrer unterrichtete dort öffentlich. Die Kunsthandwerker ringsum, die täglich geometrische Muster schufen, erhielten dabei erstmals theoretische Lektionen über Kreis, Quadrat oder Dreieck. Die Schauzeichnungen des Lehrers übertrug Afif wiederum in einen Teppich. Beim Teppich kreuzen sich die Fäden im Raum und verschlingen sich. „Ich mache Knoten“, so Sheila Hicks, „dann löse ich sie wieder um zu verstehen.“ Eine brauchbare Strategie auch für das Leben.

ifa-Galerie, Linienstraße 139/140, bis 12. 3., Di bis Mi 14–18 Uhr

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