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Kultur: Teppich zum Glück

Reise nach Indien: „Schatten der Zeit“, ein Melodram von Florian Gallenberger

Bollywood war schon immer Mainstream, auch wenn die westliche Welt das nicht bemerkte und obwohl indische Teams mit Vorliebe in der Schweiz ihre bunten Herzschmerz-Schmonzetten drehen – wegen der günstigen klimatischen und landschaftlichen Bedingungen. Jetzt hat ein deutscher Regisseur eine Bollywood-Produktion für den europäischen Markt gedreht, und zwar in Indien: eine Light-Variante des traditionellen Stoffs, crossovertauglich geschrieben, besetzt und ausgestattet; mit übersichtlichem Personal, nicht zu anspruchsvoller Dramaturgie und vor allem ohne überlange Tanz- und Gesangsszenen. Herausgekommen ist eine Kolonialzeit-Nostalgie in bräunlich-gelblichem Licht einer lang zurückliegenden Vergangenheit als Rückblende gefilmt, in der niedliche, ausgebeutete, arme Kinder zu schönen, unglücklichen, reichen Erwachsenen werden.

Ravi und Masha arbeiten als Kinder in einer Teppichfabrik, in die ihre Eltern sie verkauft haben. Dort hausen sie auch, das kärgliche Essen müssen sie vom Hungerlohn bezahlen, in einem Massenschlafsaal fallen sie todmüde in die Doppelbetten. Die Szenerie ist von Charles-Dickens-hafter Düsterkeit: geldgierige, geile Erwachsene allenthalben, die über die unschuldigen Waisen in jeder beliebigen Weise verfügen. Da hilft nur Zusammenhalten, und Ravi kauft Masha von einem Fiesling los, der offenbar noch Schlimmeres mit ihr vorhat, als nur ihre Arbeitskraft auszubeuten. Ravi selbst muss dafür länger in der Fabrik schmachten. Aber da er der beste Teppichknüpfer ist, nicht allzu lang: Er kann über seinen Lohn verhandeln, und irgendwann, aber da hat er Masha schon Jahre nicht mehr gesehen, wird er selbst zum angesehenen Teppichhändler mit Frau und Kindern. Masha hat es härter getroffen: Sie wird zunächst Tänzerin in einem zwielichtigen Etablissement und später Ehefrau des Hafendirektors. Zwar haben sich die beiden als Kinder versprochen, einmal im Jahr in einem bestimmten Tempel aufeinander zu warten, aber sie verpassen sich immer. Sie treffen sich erst wieder, als beide verheiratet sind, verlieben sich erneut, beginnen eine Liaison, die so lange dauert, bis der Hafendirektor versetzt wird. Masha und Ravi müssen sich entscheiden, ein Happy-End scheint ausgeschlossen. So ist das beim Melodram.

Teppiche, Indien, Kolonialzeit und Reichtum, Monsunregen und fahles Sonnenlicht: Das Sujet ist ästhetisch ein Selbstläufer, und tatsächlich haben Kameramann Jürgen Jürges und die Ausstatter T.P. Abid und Rajiv Gautam märchenhafte Bilder produziert. Der junge Regisseur und Drehbuchautor Florian Gallenberger, bereits Kurzfilm-Oscar-Gewinner, hat es ein bisschen übertrieben mit der kulturellen Mimikry, und daraus entsteht in aller Regel Kitsch. „Schatten der Zeit“ schrappt haarscharf daran vorbei. Haarscharf.

Capitol, Cinema Paris, Cinemaxx Potsdamer Platz, Kulturbrauerei, Passage

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