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Kurz & Kritisch: Teufelspriester: Mayhem in der Volksbühne

Metal-Konzerte sind auch nicht mehr, was sie mal waren.

Zumindest wenn sie wie bei Mayhem in der Volksbühne stattfinden und das Publikum zur Hälfte aus akademisch interessierten Zuschauern besteht, die sich zu den Kirchenschänder-Beelzebuben aus Norwegen trauen. So reichen die charakteristischen Choreografien wild geschüttelter Haupthaare kaum über die erste Reihe hinaus und weichen dann dem zeittypischen Bild leuchtender Kameradisplays.

Mayhem, die in den Neunzigern als Mitbegründer einer antichristlichen, tendenziell nationalistischen Szene und durch den gewaltsamen Tod zweier Bandmitglieder zweifelhafte Berühmtheit erlangten, haben in dem ungarischen Extremvokalisten Attila Csihar einen Sänger, der dem infernalischen Dreschgeflegel der vier Instrumentalisten grenzpathologisches Gegrunze entgegenhält. Im blutbefleckten Ornat wirkt er wie ein hingemetzelter Kleriker, der mit Sense und Zombiemaske aus dem Reich des Gehörnten zurückkehrt. Als Teil einer Musik, die vor lauter Beschleunigung die Anmutung eines weiß rauschenden Antikenchors bekommt und aus der nur das irrwitzige Geklöppel von Drummer Hellhammer zu isolieren ist, nehmen sich Csihars mit allerlei Drohgebärden vorgetragene Bannflüche eher komisch aus. So werden Mayhem zum Ornament einer Theatralisierung, die die einstmals böseste Musik der Welt in zivilisiertem Rahmen konsumierbar macht. Jörg Wunder

KLASSIK

Tänzelnd:

Endrunde der Klassikpreisträger

In Berlin überrascht es immer wieder, dass manche Institution aus dem 19. Jahrhundert bis heute überlebt hat. Der FelixMendelssohn-Bartholdy-Preis wurde vor 131 Jahren das erste Mal vergeben, er ist heute der älteste Klassikpreis für junge Musiker in Deutschland. Den dazugehörigen Wettbewerb veranstaltet in der Nachfolge des preußischen Staates die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit der Universität der Künste. Seltsam allerdings die Regel, dass keine Künstler über 30 Jahre teilnehmen dürfen, was in der Sparte Gesang zum Ausschluss der meisten Bewerber führte.

Beim Preisträgerkonzert im Konzertsaal Hardenbergstraße schlagen sich die beiden verbliebenen Vokalquartette mit Liedern von Brahms, Schumann und einem etwas aufdringlich lustigen Scherzo vocale von Bernd Erich Brinkmann recht wacker, was man von den beiden Cellisten Roudi Li und Jonathan Weigle in der Sparte Duo Violoncello/Klavier nicht sagen kann. Fahl und blaß sind ihre Klangfarben in den Sonaten von Mendelssohn- Bartholdy und Rachmaninow. Beide werden von ihren Klavierpartnern Vasyl Kotys und Zheeyoung Moon mit tänzelndem Spiel übertrumpft. Das ändert sich erst bei dem Duo mit dem anspruchsvollen Namen „Parthenon“. Christine Rauh entlockt ihrem Cello in der Sonate op. 6 von Richard Strauss einen kraftvollen, singenden Ton und bleibt mit ihrem Klavierpartner Johannes Nies in der Balance. An diesem Abend erklimmen die beiden den Parthenon. Zu Recht bekommen sie den Hauptpreis. Udo Badelt

KLASSIK

Wider die Romantik:

Das Vogler-Quartett im Konzerthaus

Ein Abend als Tribut an das Langlebige. 1985 gründete sich das Vogler-Quartett in Ost-Berlin, und wenn der kleine Saal des Konzerthauses 25 Jahre später bis auf den letzten Platz gefüllt ist, dann ist das die Anerkennung für eine künstlerische Konstanz, die in der schnelllebigen Klassikwelt nicht selbstverständlich ist. Schumann, Bartók und Dvorák haben die Musiker zu diesem Anlass gewählt – ein Programm, das sich von Beginn an als nicht unproblematisch entpuppt. Robert Schumanns a-Moll-Quartett erweist sich ohne einen unbedingten Willen zum melodischen Esprit als nur schwer überlebensfähig. Gerade dann, wenn man seine Struktur so intelligent durchdringt wie das Vogler-Quartett.

Schon im Kopfsatz liegt die Fortschrittlichkeit der Schumann’schen Musiksprache wie auf dem Seziertisch: Dissonanzen kreischen, Formbrüche werden nicht beschönigt. Das ist mutig, wird aber schwierig, weil Schumann dabei zur zickigen Negation verkommt. Und Tim Vogler an der ersten Geige versäumt, diesen prosaischen Tendenzen durch eine differenzierte Farbgebung der Melodik entgegenzuwirken. Wenn sich Bartóks viertes Quartett anschließend in der Tonsprache nur graduell davon unterscheidet, dann wird die Entromantisierung Schumanns hier ex post noch deutlicher. Erst in Dvoráks Es-Dur-Quartett entwickelt sich ein kollektiver Gestaltungswille, der bis dato auf Stephan Forck am Cello und Stefan Fehland an der Bratsche begrenzt zu sein schien. Nuanciert ausgearbeitete Übergänge zwischen atavistischem Minimalismus und slawischer Folklore im Allegro sowie die fragile Behandlung des Themas in der Dumka retten einen Abend, an dem die unterschiedlichen Fähigkeiten der Quartettmitglieder zu prägnant sind. Daniel Wixforth

Jörg W, er

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