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Kultur: Teuflisch

Sylvie Fleury in der Galerie Mehdi Chouakri

Schüsse knallen, Fetzen fliegen, Kugeln durchlöchern edle Taschen von Chanel. Die Schweizer Künstlerin Sylvie Fleury huldigt Fetischen und zerstört sie zugleich. Sie hinterfragt die Vorstellung von Weiblichkeit, entwirft ein neues Frauenbild, das sich wieder als Klischee entpuppt. In der Galerie Mehdi Chouakri hat die Künstlerin eine Art Analyse-Parcours aufgebaut. Ein Spiegelkabinett, in dem wir mal schmal aussehen, dann wieder mächtig aufgeplustert werden. Fröhlich spielt sie mit Innen- und Außenwelt, Selbstinszenierung und Fremdbestimmung, Seelentiefe und schalem Schein. Durch ein Enneagramm aus Sperrholz betritt die Besucherin eine Grotte. Die neun Zacken des esoterischen Zeichens sollen Zustände der Seele symbolisieren (55 000 Euro). In der Mitte der Ausstellung steht ein Haifischzahn aus Fiberglas, überdimensioniert, silberfarben, scharfzackig (75 000 Euro). Der Hai, sonst Repräsentant des Testosteron-Kapitalismus, dient hier als Talisman.

Die 48-Jährige hat Fotografie studiert. Ihre erste Wohnung in Genf möblierte sie mit dem Inventar einer Zahnarztpraxis. Später stattete sie gemeinsam mit John Armleder eine ganze Villa aus, in der sie noch heute lebt. Tempel, Rituale, jenseitige Sphären faszinieren Sylvie Fleury mindestens so sehr wie der Kult des Kaufens. Berühmt wurde sie, als sie ihre Einkaufstüten in der Galerie ab- und ausstellte: „Shopping bags“ war Selbstporträt, Gesellschaftsspiegel und im Bekenntnis zum Konsum Rebellion gegen die calvinistische Schweiz.

Ähnlich wie ihre Kollegin Pipilotti Rist arbeitet auch Sylvie Fleury an einem Gegenentwurf von Weiblichkeit – vergnügt, militant, sinnlich. In dem Video „Cristalle Custom Commando“, das ursprünglich für eine Ausstellung des Chanel-Flagshipstore in Paris entstanden ist, lässt sie eine Brigade Bikerinnen in hautengen Lederanzügen auf die begehrten Handtaschen des Modehauses schießen (Edition: 10, je 27 000 Euro). In der Galerie ist dieser ironische Muttermord im Depot zu sehen. Doch die Motorradbräute, die „She-Devils on Wheels“, enden selbst im Klischee von sexy Lederkluft und coolen Knarren. Sylvie Fleury erobert die Wirklichkeit durch übertriebene Affirmation.

Am Ende des Weges verbirgt ein Vorhang die Garderobe der Freiheitsstatue. Der Blick der Besucherin prallt an einem Spiegel ab, geschnitten in der Form des Lancome-Logos. Liberty’s Umhang und Krone hängen am Haken. Die Göttin macht gerade Pause. Da müssen die Menschen ihr Schicksal schon selbst in die Hand nehmen. Simone Reber

Galerie Mehdi Chouakri, Invalidenstraße 117; bis 31.10., Di-Sa 11-18 Uhr.

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