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End of the Road Festival 2021 The Comet is Coming performing at the 2021 End of the Road Festival in Larmer Tree Gardens in Dorset. Photo date: Saturday, September 4, 2021. Photo credit should read: Richard Gray/EMPICS PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: xRichardxGrayx 62208477

© imago images/PA Images

The Comet is Coming in Berlin : Monsters of Jazz

Shabaka Hutchings hat mit seiner Band The Comet is Coming die Grenzen von Jazzrock und Clubmusik aufgehoben. Ihr Auftritt im Festsaal Kreuzberg ist fulminant.

Von Andreas Busche

Das Powertrio, eine Erfindung der 1960er Jahre, als die Rockmusik erstmals adäquat elektrisch verstärkt wurde und die Jimi Hendrix Experience und Cream den Staub von den alten Knochen des Blues bliesen, hat sich im Jazz nie durchsetzen können. Zu den Ausnahmen gehören Albert Ayler und Peter Brötzmann. Das sind gar nicht mal die schlechtesten Referenzen für den britischen Tenorsaxofonisten Shabaka Hutchings, der in seinen unterschiedlichen Formationen das ganze Spektrum von der spirituellen Kraft des Obertons bis zur komprimierten Intensität des Weißen Rauschens auslotet.

In der Londoner Clubkultur geerdete Weltraumreisende

Sein Trio The Comet is Coming rangiert eher am hinteren Ende dieser Skala, womit sich der Jazzmusiker Hutchings, der sich in dieser Band-Inkarnation King Shabaka nennt, dem Ideal des Powertrios größtmöglich angenähert hat. Das lässt sich am Donnerstag im Festsaal Kreuzberg erleben, wo Hutchings, Keyborder Dan Leavers und Drummer Maxwell Hallett, allesamt mit einem Bein in der Londoner Clubkultur geerdete Weltraumreisende, eine fulminante Interpretation von kosmischer Musik aufführen. Das „Kosmische“ ist zu gleichen Teilen dem Einfluss des großen Saturnfahrers Sun Ra und der Berliner Schule um Tangerine Dream und Manuel Göttsching geschuldet.

Spirituelle Einflüsse aus der Jazz-Geschichte sind auf ihrem vierten Album mit dem sprechenden Titel „Hyper-Dimensional Expansion Beam“ nahezu verschwunden: Und auch auf der Bühne ist Leavers, umgeben von einem Turm aus analogen Keyboards, im Vordergrund platziert.

Er dominiert den Sound, ein selbstbewusstes Zugeständnis des Bandleaders, der weiß, dass die Leute zwar wegen ihm kommen, aber im Fall von The Comet is Coming eine Rave-Show erwarten. Entsprechend teilt sich das Publikum in Jazzheads und Clubkids. Letztere kommen an diesem Abend eher auf ihre Kosten; außerdem Fans der kanadischen Progressive-Band Rush (noch so ein formidables Powertrio!) zur „Moving Pictures“-Ära.

Die Rockposen des sonnenbebrillten Trios wirken auch nur halb ironisch. Vor allem Leavers geriert sich hinter seinen Gerätschaften als Wiedergänger Keith Emersons. Sein sphärisches Synthesizer-Wabern, das über den Köpfen hängt, perforiert Hutchings noch mit perkussiven Melodien. Gegen Leavers Basswände inklusive Dubstep-Drops kommt er aber nur noch mit prägnanten Akkorden an, die Hutchings wie Gitarrenriffs rauspustet. Um Verfeinerung geht es hier weniger als um schiere Lautstärke.

Man bedauert ein wenig, dass Shabaka Hutchings vor einigen Monaten das Ende seiner von der afrokaribischen Tradition inspirierten Band Sons of Kemet ankündigte. Aber The Comet is Coming scheinen in der aktuellen Verfassung keine Grenzen mehr gesetzt zu sein. Und das heißt einiges bei Hutchings, der Jazz schon immer als losen Rahmen für seine musikalischen Ideen betrachtet hat.

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