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Balanceakt. Jule Böwe ist ein perfektes Hanna-Schygulla-Double. Und singen kann sie auch noch. Foto: Eventpress Hoensch

© Eventpress Hoensch

Theater: Auf dem Flokati bleiben

„Angst essen Deutschland auf“: Patrick Wengenroth montiert im Studio der Berliner Schaubühne einen Fassbinder-Abend aus Originalzitaten. Unterhaltsam, rührend, aber eben auch kindisch ist auch sein neuester Streich, nachdem er bereits in "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" Christiane F. und ihre Gefährten für das Theater hat wiederauferstehen lassen.

Bei Patrick Wengenroth und seinen Installationen weiß man nie so genau: Sind sie sentimentales Theaterkaraoke oder haben sie noch etwas anderes zu bieten als den verständlichen, aber simplen Spaß an der Nachahmerei, also vielleicht etwas wie Gegenwartsbezug? Einmal hat Patrick Wengeroth „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ nachgespielt, die Schauspieler trugen Jeans mit Schlag wie zu Zeiten von Christiane F. und waren ansonsten damit beschäftigt, die kläglich zusammengesackte Körperhaltung und die sehr spezifische Weggetretenheit des Junkie-Blicks zu simulieren. Das zumindest ist dem Team gut gelungen, denn Wengenroth ist ein Meister darin, einen Habitus detailgenau nachzuschraffieren und dadurch ein vergangenes Lebensgefühl magisch wiederauferstehen zu lassen. Er ist ein Wunderkobold der Mimesis.

Unterhaltsam, rührend, aber eben auch kindisch ist auch sein neuester Streich „Angst essen Deutschland auf“ im Studio der Berliner Schaubühne, ein Abend über Rainer Werner Fassbinder, ausschließlich aus Fassbinder-Zitaten zusammengebaut. Offenbar soll das Stück dem Regisseur vor allem die Möglichkeit geben, sich einen Fassbinder-Schnauzer wachsen zu lassen und in Knackarschhosen und Lederjacke mit breitbeiniger Aufmüpfigkeit vor dem kichernden Publikum aufzubauen. Gut aussehen tut es jedenfalls.

Großartig auch Jule Böwe als Hanna-Schygulla-Verschnitt, mit blondiertem Haar taumelt sie im rosa Fummel auf noch schaurigeren Glitzer-Riemchen-Sandalen über den Flokati und spricht betrunken oder übermüdet oder auf Valium, also sehr langsam Fassbinder-Texte zur Verkommenheit des Theaterbetriebs. Lustig auch, wenn statische Szenen aus statischen Fassbinder-Filmen nachgestellt werden, die auf der Filmwand im Hintergrund zu sehen sind. Und es wird natürlich auch viel gesungen.

Die für Fassbinder typische Mischung aus Spießigkeit, Beziehungssadomaso, „Querelle“-Homoerotik und Prolo-Revoluzzertum ist dabei so genau getroffen, dass man beim Zuschauen sogar das Jucken der damaligen Polyesterkleidung wieder spürt. Gruselig. Aber wozu? Will Patrick Wengenroth das Klischee entlarven oder über den Zerrspiegel des Historismus etwas über heute erzählen?

Bitte keine Fragen. Einem Kind, das in Mamas Abwesenheit vor dem Schlafzimmerspiegel in ihren Kleidern posiert, stellt man auch keine Fragen. Man schließt diskret die Tür und lässt es allein bei seiner geheimnisvollen Selbsterkundung.

Wieder am heutigen Sonntag, 20.30 Uhr

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