zum Hauptinhalt
214978_0_4c2da251

© dpa

Theater: Der Pirschgarten

Das Stück "Drei Schwestern", inszeniert frei nach Tschechow im Theater am Kurfürstendamm, sorgt für Aufsehen. Der Grund: Besetzungscoup. Allerdings mit Wehrmutstropfen, denn die Regisseurin verschenkt das Potenzial des Plots.

Wer am Theater arbeitet, muss auf seine Gesundheit achten, klar, ist ja ein strapaziöser Betrieb. Vielleicht essen deshalb die Menschen in Amina Gusners „Drei Schwestern“-Abend im Theater am Kurfürstendamm erst mal einen Apfel, so genüsslich, dass sie lange gar nicht zum Reden kommen. Vielleicht geht dieses Stillleben mit Obst aber auch bloß auf einen Probenscherz zurück, der gelautet haben muss: An apple a day keeps the author away, frei übersetzt: Ein Apfel pro Tag, und Tschechow bleibt im Sarg.

„Frei nach Anton Tschechow“ steht auf dem Aufführungsplakat, und Freiheit ist bekanntlich immer die des Andersinszenierenden. Bloß – warum haben die Regisseurin Gusner und ihre Dramaturgin Anne-Sylvie König das Stück nicht umgetauft in, sagen wir, „Die drei von der Zankstelle“? Doch der Reihe nach.

Gefühlte fünfzig Kamerateams drängen sich im Foyer, die Boulevardfotografen schwitzen. Ein Besetzungscoup ist gelungen, die künstlerische Wiedervereinigung jener Frauen nämlich, die in Katja von Garniers Kino-Hit „Bandits“ als Knacki-Band die Kuschelrock-Variante des Feminismus feiern durften: Katja Riemann, Nicolette Krebitz und Jasmin Tabatabai. „Natürlich wird sofort vermutet, dass wir drei an diesem Haus mit Tschechow nur eine oberflächliche oder hohle Arbeit abliefern können“, hat Riemann zuvor im Interview gesagt.

Zunächst erzählt Regisseurin Gusner nicht das Stück, sondern führt eine Lebenshaltung spazieren, die so oder so ähnlich in Kaffeestuben am Prenzlauer Berg vermutet wird. Die Bühne sieht allerdings aus wie ein Edelpuff, mit güldenen Selbstbespiegelungsrahmen an den Wänden, einem großen Glashaus nebst Bett in der Mitte und einem Parfüm von Ennui in der Luft. Die Irina von Nicolette Krebitz, ein verwundertes Fräulein im Kimono, bekommt darin pünktlich zum dreißigsten Geburtstag Ego-Migräne und will plötzlich arbeiten, mit den eigenen Händen, landet dann aber doch nur im Callcenter. Katja Riemanns Älteste, Olga, klagt vor allem: „Ich bin alt.“ Und Jasmin Tabatabai als Mascha neigt zu irritierenden cholerischen Ausbrüchen und bekennt zwischendrin, Charlotte Roches „Feuchtgebiete“ nicht gelesen zu haben. Selten hat sich Heutigkeit so vorgestrig angefühlt. Die drei tanzen, keifen, starren – ins Leere. Und der Sehnsuchtsort der Schwestern ist vor allem im Pausensong präsent, Michael Jacksons „Stranger in Moscow“.

Die drei Männer, die in der Strichfassung übrig geblieben sind, ziehen da sowieso den Kürzeren. Blass der fesche Werschinin von Jörg Pintsch, ebenso Frank Voigtmann als Maschas Gatte Kulygin, hier ein Psychologe mit Angstpatientengruppe. Und Heiko Senst als Tusenbach muss eine Doku über die drei Schwestern für die Rubrik „Was macht eigentlich ...?“ drehen. Witzig. – Nach der Pause dann stürzt sich die Regisseurin doch noch auf das Beziehungskrisen-Potenzial des Stücks, weil, jetzt mal im Ernst, unglückliche Liebe ja sooo komisch gar nicht ist. Zu spät. Sie hat ihren Tschechow längst verkauft, für ein paar Kalauer.

Wieder vom 3. bis 8. Juni.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false