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Kultur: Thomas Flierl vor dem Endspurt Neue, alte Sparideen für Berlins Kultur: ein Euro mehr pro Ticket

Freikarten reduzieren, hieß es erst kürzlich. Und nun: Eintritt verteuern.

Freikarten reduzieren, hieß es erst kürzlich. Und nun: Eintritt verteuern. Einen Euro mehr sollen Berlins große Bühnen pro Karte verlangen. Wegen Gripstheater, Zeitgenössischer Oper und wegen der immer noch fehlenden 818 000 Euro für die Volksbühne. Ist ja nur eine Empfehlung, so der Unterausschuss Theater im Berliner Abgeordnetenhaus, der nun beschloss, die Zuwendungen für das Deutsche Theater, das Konzerthaus und die drei Opernhäuser um je 150 000 bis 200 000 Euro zu kürzen. Damit die Kleinen überleben, sollen die Großen sparen. Ein Akt freiwilliger Solidarität. Klingt gut.

Klingt gut? Nun ja. Die Freikartennummer ist etwa so alt wie Berlins öffentliche Armut. Die 1,2 Millionen Euro, die sich damit angeblich einsparen lassen (die SPD hatte kürzlich sogar auf 4,8 Millionen spekuliert), sind eh eine Traumzahl, der die Verwaltung realistischere 297 000 Euro entgegensetzt. Abgesehen von der Milchmädchenrechnung, dass womöglich teure Werbung nötig sein wird, wenn man billige Multiplikatoren wie etwa die Kritiker zur Kasse bittet.

Auch der Solidar-Euro hat seine weniger glänzende Kehrseite. Matthias Wambach, für die CDU im Unterausschuss, macht darauf aufmerksam, dass Preiserhöhungen nicht zu „zusätzlichen Einnahmen für die Häuser führen, weil die Besucher billigere Karten kaufen“. Kultursenator Thomas Flierl verweist hingegen auf die Lindenoper, die trotz teuerster Karten eine 90-prozentige Auslastung vorweisen kann.

Bis zum 27. Juni muss Flierl seinen Sparhaushalt für 2002/2003 vorlegen. Dann wird es ernst. Dann wird Beschluss, was jetzt allwöchentlich vorgeschlagen und in ebenso schöner Regelmäßigkeit wieder verworfen oder revidiert wird. Flierls Schlingerkurs – erst versuchen wir’s mal bei den freien Gruppen, prompt wird protestiert, also versuchen wir’s jetzt bei den Staatsbühnen – wird unweigerlich ein Ende finden müssen. In den nächsten Tagen, man kann die Uhr danach stellen, werden die jetzigen Sparopfer protestieren. Die Opern, das Deutsche Theater und das Konzerthaus werden eindrucksvoll vorführen, dass auch die aktuelle Rechnung nicht aufgeht. Das geht sie ohnehin nicht. Denn für die Volksbühne und die Zeitgenössische Oper reicht es nach wie vor nicht, die Entscheidung über deren Etats wurde vertagt: Womit die Vertragsverlängerung für Frank Castorf weiter gefährdet bleibt.

Nur das Grips-Theater kann sich freuen: Sein Etat soll definitiv um 205 000 Euro aufgestockt werden. Ansonsten sieht die Hauptstadtkulturszene Thomas Flierls Endspurt mit Bangen entgegen. Ob es ihm gelingt, aus so kurvenreicher Verkehrsführung in die Zielgerade einzubiegen? Und was bleibt dabei auf der Strecke? chp

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