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Verliebt. Susan (Eva Green) und Michael (Ewan McGregor).

© dpa

Thriller-Melodram: Die Sinne des Lebens

Eva Green und Ewan McGregor kämpfen gemeinsam gegen das Virus: David Mackenzies romantischer Film „Perfect Sense“.

Das Virus trifft die Menschheit fundamental. Eine tiefe Trauer überwältigt die Infizierten. Sie erinnern sich an Menschen, die sie verloren haben, und denken an jene, denen sie Leid zufügten. Und dann ist plötzlich ihr Geruchssinn weg – und die Welt nie wieder, wie sie war. Denn mit dem Geruchssinn verflüchtigt sich das Bewusstsein der Vergangenheit – schließlich sind unsere Sinne, schöne Proust’sche Erkenntnis, das Elixier der Erinnerung. Doch das ist erst der Anfang der Epidemie. Denn irgendwann beginnen die Opfer – ein letztes Aufbäumen – mit rasender Gier, Dinge in sich hineinzuschlingen: rohes Fleisch, Blumen, Lippenstifte, literweise Olivenöl. Dann ist auch ihr Geschmackssinn verschwunden. Jedes Virus scheint sinnlos, dieses raubt den Menschen auch noch die Sinne.

Das kann einem Gourmetkoch wie Michael nicht schmecken. Ewan McGregor, der wie der schönere Bruder von Starkoch Jamie Oliver aussieht, spielt diesen Küchen-Künstler mit bekannt liebenswertem Charme – als Filou, der im Glasgower Nachtleben Frauen um den Finger wickelt. Wobei er sie noch nachts davonschickt: Er schafft es einfach nicht, mit Frauen das Bett zu teilen. Doch als er die so schöne wie kluge, so kühle wie bekümmerte Epidemiologin Susan (Eva Green) trifft, werden seine Gewohnheiten auf eine harte Probe gestellt. Die Menschheit mag sich in Aggression und Hass zerfleischen, Michael und Susan kommen sich langsam näher. Doch auch zwischen diesen Großstadtseelen macht sich die buchstäbliche Sinn-Leere bemerkbar.

Der 45-jährige britische Regisseur David Mackenzie („Hallam Foe“) stellt mit „Perfect Sense“ erhellende existenzielle Fragen. Welchen Sinn hat das Leben – ohne Sinne? Und wenn es keine Sinnlichkeit mehr gibt, wo bleibt die menschliche Nähe? Zudem löst er das Viren-Motiv auch aus den üblichen Genre-Zusammenhängen. „Perfect Sense“ ist kein apokalyptischer Horrorfilm à la „28 Days Later“ und kein Thriller im Stil von „Contagion“. Auch wer sich an Fernando Meirelles’ Arthouse-Anstrengung „Die Stadt der Blinden“ erinnert fühlt, in dem ein Virus den Menschen die Sehkraft raubt, geht fehl. Mackenzie schlägt zunächst den flotten, wenngleich ein wenig wehmütigen Ton der romantischen Komödie an. Doch bald schleichen sich bewegende Untertöne ein, bis der Klang zur vollen Inbrunst des Melodrams anschwillt. Da bleibt kein Auge trocken. Und die Botschaft? Wird hier nicht verraten. Aber sie ist traurig-schön.

Cinemaxx, Filmkunst 66, Kinowelt Eastgate, OV im Babylon Kreuzberg, Central und Cinestar SonyCenter

Julian Hanich

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