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Kultur: Tiefes Gefühl, elektrisches Licht

Giacomo Meyerbeer, Adolphe Sax, Carl Philipp Emanuel Bach und Christoph Willibald Gluck – sie haben die Oper verändert. Und gerade auch sie gehören im Jahr 2014 zu den Jubilaren, an die zu erinnern sich lohnt.

In Richard Strauss’ Geburtsjahr verstirbt Giacomo Meyerbeer, der weltläufigste und einflussreichste Komponist seiner Generation. Er ist gebürtiger Berliner, wächst als umhegter Spross einer der reichsten preußischen Familien auf. Der Vater verdient sein Geld als Zuckerproduzent und Bankier, seine Mutter empfängt in ihrem Salon die Geistesgrößen der Zeit. Die Eltern fördern die musische Neigung des Sohnes, engagieren die besten Lehrer, lassen gar den Bühnenerstling des 19-Jährigen an der preußischen Hofoper uraufführen.

Doch den jungen Tonsetzer zieht es südwärts. Jenseits der Alpen lernt er, wie man Arien macht. Von Paris aus revolutioniert er schließlich die Theaterwelt: 1831 verblüfft er das Publikum mit dem ungeheuer effektvollen „Robert der Teufel“. Seine Stücke sind die größten, prächtigsten, aufwendigsten, „Die Hugenotten“, sein Fünfakter über die Bartholomäusnacht, wird die meistgespielte Oper des 19. Jahrhunderts. Als Erster verwendet er in „Der Prophet“ elektrisches Licht auf der Bühne, simuliert Ballettszenen auf dem Eis, bei denen im Hintergrund Kinder und im Vordergrund Erwachsene über die Szene gleiten, um den Tiefeneffekt noch zu steigern.

Die Welt staunt, und Friedrich Wilhelm IV. lockt den Erfolgsverwöhnten an seinen Hof. Im piefigen Preußen wird der Weltbürger allerdings nicht wieder richtig heimisch, kehrt nach Paris zurück, wo er bis zu seinem Tod vor 150 Jahren als ungekrönter König die Musiktheaterszene regiert. Richard Wagner übrigens verdankt dem Gesuchten viel und hetzte dennoch geifernd gegen den berühmten Kollegen.

Mit großer Neugier begegnet Giacomo Meyerbeer in den 1840er Jahren dem Instrumentenbauer Adolphe Sax. Der 1814 in Belgien Geborene hatte sein Handwerk beim Vater gelernt. Als er 30-jährig in Paris eintraf, hatte er kein Geld - aber eine geniale Erfindung im Gepäck: das Saxophon. Obwohl es aus Metall gefertigt ist, gehört es zur Familie der Holzblasinstrumente, da die Töne über ein Rohrblatt erzeugt werden wie bei der Klarinette. Mit dem Saxophon hatten die Holzblasinstrumente endlich ein ebenso wohlklingendes wie durchdringendes Bassinstrument. Das begeisterte die Opernkomponisten ebenso wie die Militärkapellmeister. Im 20. Jahrhundert sollte das Saxophon dann sogar zum Symbolinstrument eines ganzen Musikstils werden, nämlich des Jazz.

Der vor 300 Jahren geborene Carl Philipp Emanuel Bach war zu Lebzeiten berühmter als sein heute so sehr verehrter Vater Johann Sebastian. Preußenprinz Friedrich holte ihn als Cembalisten an seinen Rheinsberger Musenhof, nach der Thronbesteigung diente Carl Philipp Emanuel seinem König als Leiter der Hofkapelle. Nachdem eine Bewerbung als Thomaskantor in der Nachfolge des Vaters gescheitert war, ging der Musiker 1768 nach Hamburg, wo er bis zu seinem Tod 1788 als städtischer Musikdirektor wirkte. Seinen Status als Star verdankte Carl Philipp Emanuel dabei ebenso dem virtuosen Cembalospiel wie seinem als höchst modern angesehenen, gefühlsbetonten Kompositionsstil, der heute als „empfindsam“ bezeichnet wird und den Übergang von der barocken Tonsatzlehre zur Wiener Klassik markiert.

Christoph Willibald Gluck erblickte in der Oberpfalz das Licht der Welt, im selben Jahr wie der Bach-Sohn, also 1714, und auch der Sohn eines Försters wurde zu einem europäischen Musikstar, brachte seine wichtigsten Werke aber in Wien und Paris heraus. Nach Lehrjahren in Italien wandte sich Gluck bald von der stark durch Konventionen geprägten Kunstform der opera seria wie der opera buffa ab. Sein Ziel war es, die Oper wieder zu ihren Ursprüngen um 1600 zurückzuführen und Werke zu schaffen, in denen menschliche Gefühle im Vordergrund stehen, in denen Musik und Wort sich gegenseitig bedingen und so die Wirkung auf den Zuhörer erhöhen.

Das berühmteste Beispiel für Glucks Reformoper ist seine Vertonung von „Orfeo ed Euridice“ aus dem Jahr 1762, seine „Iphigénie en Aulide“ sowie Iphigénie en Tauride" führten später in Paris zu einem legendären, fast 20 Jahre währenden ästhetischen Streit, der das Publikum in ein konservatives und ein fortschrittliches Lager spaltete.

Gluck wurde in der Auseinandersetzung als legitimer Erbe des vor 250 Jahren verstorbenen Jean-Philippe Rameau bezeichnet. Er war als Cembalo-Meister bereits eine Berühmtheit, bevor er im Alter von 50 Jahren eine Musiktheaterkarriere startete. Den französischen König Louis XV. begeisterte Rameau durch den überschäumenden Einfallsreichtum seiner mit Tanzdivertissements durchsetzten Opern so sehr, dass er in den Adelsstand erhoben wurde. Von den Orchestern musste er sich dagegen vorwerfen lassen, seine Partituren seien so komplex, dass den Musikern nicht einmal mehr Zeit dazu bliebe, sich die Nase zu schnäuzen. Frederik Hanssen

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