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"Minority Report" mit Tom Cruise

© dpa

Tom Cruise: Ich bin ein Star, ich hol’ dich rein

Kinoheld, Missionar, Weltenretter: Wie der Scientologe Tom Cruise seine Rollen durcheinanderbringt.

Dieser festgenagelte Blick. Symmetrische Gesten, Hände in den Hüften, Hände in die Höhe, Fäuste geballt, yeah, you can do it! Machopose. Die Zähne gebleckt. Manchmal dimmt Tom Cruise seine Stimme auch herunter, zum Schmeichelsound eines Verführers. Und man fragt sich konsterniert, ob dieser Typ ferngesteuert ist und versucht, dich seinerseits unter Kontrolle zu bringen.

Tom Cruise. Scientology. Stauffenberg. Die Bambi-Verleihung. Andrew Mortons Biografie. Und das im Internet kursierende Video, in dem der Schauspieler ein Loblied auf die Sekte singt. Eine sich immer wieder steigernde Fieberkurve bei einem medialen Daueraufreger, dessen Gaga-Potential von Leuten wie Guido Knopp noch erhöht wird, wenn der Historiker Cruise’ Agitationsgebaren mit Goebbels’ Kriegspropaganda im Sportpalast vergleicht. Dummer Vergleich: Jeder Popstar, jeder Moderator eines Massenevents, jeder US-Präsidentschaftsbewerber schwört das Publikum auf Enthusiasmus ein. Zwischen Jubel und Hörigkeit liegt nur ein schmaler Grat. Goebbels war da ein Pionier, mit diesem Erbe lebt die Unterhaltungs- und Medienindustrie .

Wie gefährlich ist der auch mit 45 Jahren immer noch so sexy jungenhaft daherkommende Tom? Nutzt der Star seinen Ruhm, um ein Millionenpublikum zugunsten von Scientology zu indoktrinieren? Oder ist es umgekehrt so, dass er die womöglich bei Scientology antrainierte Kunst der Selbstbeherrschung und der Verführung nutzbringend vor der Filmkamera einsetzt? Der Star und der Scientologe, wer profitiert da von wem?

Die Frage lässt sich schon deshalb nicht beantworten, weil Kino und Sekte sich in genau dem Punkt gleichen, an dem Cruise so gelegen ist, jedenfalls im Scientology-Video. Beides sind Glaubensgemeinschaften, beiden wollen eine neue Wirklichkeit kreieren, mit Hilfe synthetischer Persönlichkeiten. Vielleicht sind deshalb Hollywoodstars für Scientology anfällig. Ohne Sendungsbewusstsein, ohne die Macht der Manipulation, ja vielleicht sogar ohne Hybris ist große Schauspielerei nicht zu haben. Der Privatmann Cruise, der der umstrittenen Bewegung angehört, und der Schauspieler Cruise lassen sich kaum voneinander trennen; wer ihn je auf dem roten Teppich erlebte, hat jedenfalls den Eindruck, dass er diese Trennung selbst schon lange nicht mehr vollzieht. Deshalb erschien er bereits in der Rolle des Sektengurus in Paul Thomas Andersons US-Gesellschaftsstudie „Magnolia“ wie eine Karikatur eines Scientologen, spätestens bei der Macho-Agitationsrede „Seduce and Destroy“ mit dem Slogan „Respect the cock! Tame the cunt!“

Etliche Cruise-Charaktere suchen die Nähe zu bündlerischen Organisationen. Man muss nur die Filmtitel Revue passieren lassen – „Top Gun“, „Mission Impossible“, „Minory Report“, „The Last Samurai“ oder „Eyes Wide Shut“ –, um zu merken: Der Gedanke, dass nur eine Spezialeinheit, und sei es ein Ein-Mann-Unternehmen, die Welt retten kann, ist geradezu konstitutiv für diese Helden, mehr noch als bei anderen Actionstars.

Ob Cruise nun der amerikanischen Navy Fighter Weapons School angehört („Top Gun“) oder einer Sondereinheit des CIA („Mission Impossible“), ob er im Alleingang dem „Krieg der Welten“ trotzt, in Spielbergs „Minority Report“ als Polizist mittels cybergesteuerter Früherkennung künftige Morde verhindern will oder sich in Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut“ in die Orgien eines Geheimbunds verirrt, weil er die Untreue seiner Frau gealpträumt hatte: Häufig ist Indoktrination im Spiel, sind Suggestion, Gehirnwäsche und Fernsteuerung probate Mittel zum missionarischen, messianischen Zweck. Mehrfach hat Cruise Männer gespielt, die sich als Invasoren ins Imaginäre Einblick in anderer Leute Träume verschafften und selbst Züge eines Cyborgs trugen. Sein darstellerisches Spektrum ist schmal, Komik, gar Selbstironie liegt ihm nicht. Da ist nur immer wieder dieses irre, hysterische Lachen. Als rüttele da jemand in seinem Käfig an den Gitterstäben.

Nun liegt die Okkupation der Fantasie ja im Wesen des Kinos. Bei Cruise fallen Person und Persona auf besondere Weise in eins. Man braucht sich beim Scientology-Werbevideo nur vorzustellen, dass er immer dann, wenn er den Sektennamen ausspricht, eigentlich seinen Beruf meint. Frappierend, wie sehr das passt. Cruise spricht vom Privileg, davon, dass man sich den Sonderstatus erst verdienen müsse – mit kompromissloser Hingabe. Er möchte eine neue, bessere Welt erschaffen und betont seine besondere Verantwortung, weil ein Scientologe (sprich: ein Schauspieler) etwas kann, was andere nicht können. Es ist eine Verantwortung gegenüber denen, die „von uns abhängen“. Die Beziehung eines Idols zu seinen Fans lässt sich ähnlich beschreiben.

Also Gefahr gebannt? Verwechselt da einer schlicht seine Rollen? Man könnte das Spektakel um Tom Cruise als Rummel um ein wildgewordenes, aber letztlich harmloses Alphatier abtun. Wären da nicht andere Alphatiere wie Frank Schirrmacher, der Cruise in seiner abwegigen Bambi-Laudatio im November zum mutigen „Querdenker“ stilisiert hatte. Nachdem Schirrmacher bereits „Untergang“-Produzent Bernd Eichinger und Oscar-Gewinner Henckel von Donnersmarck hymnisch feierte, attestierte der „FAZ“-Herausgeber dem Stauffenberg-Darsteller, dass er wie weiland der NS-Widerstandskämpfer selbst das Ansehen Deutschlands zu retten versuche.

Nach Bekanntwerden des Scientology-Videos sagt Schirrmacher, er möge die Organisation nicht. Parallel zum Cruise-Aufreger stieg letzte Woche auch die Schirrmacher-Erregungskurve erneut, weil der mächtige Medienmann Jugendkriminalität, muslimischen Fundamentalismus und die „tödlichen Ideologien des 20. Jahrhunderts“ in engen Zusammenhang gebracht hat. Der Mainstream-Held Cruise und der patriotische Mehrheits-Verteidiger Schirrmacher: Beide reden wirr. Eine bizarre, unheimliche Parallele. Mit den Stauffenberg-Worten „Es lebe das heilige Deutschland“ hatte Cruise sich für den Bambi bedankt. Der Sektenguru in „Magnolia“ heißt übrigens Frank.

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