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Tony Scott

© AFP

Tony Scott, ein Nachruf: Sturz ins Tiefe

Zum überraschenden Suizid des Hollywoodregisseurs Tony Scott, der mit Filmen wie "Top Gun", "Crimson Tide" oder "Staatsfeind Nr. 1" berühmt wurde.

Knapp zwei Kilometer lang ist die Vincent-Thomas-Hängebrücke, die den Hafen von Los Angeles mit dem Stadtteil San Pedro verbindet. Zu trauriger Berühmtheit kam das Bauwerk erstmals, als der US-Turmspringer und Bronzemedaillengewinner von 1964, Larry Andreasen, 1990 bei einem Höhenrekordversuch einen der beiden über 100 Meter hohen Pfeiler erkletterte und von dort in den Tod sprang.

Es ist nun der Filmregisseur Tony Scott, der die Chronik des Bauwerks um ein tragisches Kapitel ergänzt. Am Sonntagmittag überwand er einen Drahtzaun neben der 60 Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Fahrbahn und stürzte in die Tiefe. In seinem Auto habe er eine Liste mit zu benachrichtigenden Personen hinterlassen, schreiben die Lokalreporter; in seinem Büro fand man einen Abschiedsbrief. „Erst nach Stunden“ sei die Leiche des Regisseurs in den „trüben Hafengewässern“ gefunden worden.

So spektakulär wie sorgfältig hat der 68-Jährige sein Ableben organisiert – ja, man ist versucht zu sagen: inszeniert. Als habe der Action-Blockbuster-Garant Hollywoods, dem zuletzt Depressionen nachgesagt wurden, auch für sich selbst ein adäquates Finale gewählt. Eine gewaltige Bühne, und darauf ein Schauspiel, dessen Vorbereitung und Ausführung vor allem Zuverlässigkeit erfordert. Und eine Stille, wie sie nach dem Abspann einzusetzen pflegt. Man könnte auch – kurzzeitige – Hollywood-Schockstarre dazu sagen.

Tony Scotts Revier, das waren die lauten, schnellen, technikverliebten Filme, die Spektakel zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Der Kampfpiloten-Kracher „Top Gun“ brachte ihm und seinem Hauptdarsteller Tom Cruise 1986 den Durchbruch. Zu Lande startete bald das Rennfahrer-Drama „Tage des Donners“ durch, in dem Cruise sich nebenbei in eine von Nicole Kidman verkörperte Ärztin verlieben durfte, ein Drehbuchelement mit bekanntlich weitreichenden privaten Folgen. Und 1995, mit dem AtomU-Boot-Film „Crimson Tide“, ging es erstmals in Meerestiefen.

Stilistisch effektiv, dramaturgisch substanzlos – das war das Etikett, das an den Gemeinschaftswerken Scotts mit dem Hit-Produzenten Jerry Bruckheimer haftete. Erst mit „Staatsfeind Nr.1“ (1998) wurde die Filmkritik kurzzeitig auf ihn aufmerksam – war ihm doch nach eher bond-typischen Szenarien, in denen es mal gegen die Russen, mal gegen die Chinesen ging, ein Paranoia-Thriller gelungen, der den staatlichen Überwachungsapparat Amerikas kritisierte.

Oscars waren für Tony Scott so nie in Sicht, ganz anders als für seinen Bruder Ridley, der drei Regie-Nominierungen in seiner Vita führt. Überhaupt mag die lebenslange Konkurrenz den sieben Jahre jüngeren Tony zermürbt haben. „Unstoppable“ hieß sein letzter Film, über einen außer Kontrolle geratenen Güterzug mit giftiger Ladung. Auch hier ließe sich leicht, allzu leicht, eine Verbindung herstellen zu der vermischten Nachricht, mit der Tony Scott sein Leben beschließen wollte. Jan Schulz-Ojala

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