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Kultur: Trau der Stille

REQUIEM II

Ein bisschen verkehrte Welt ist das schon, wenn unsere fabulösen Berliner Philharmo niker sich auf ihren Orchesterplätzen nach hinten wenden, um einem amerikanischen Laienchor zu applaudieren. Die Sensation ist zirka 230 Mitglieder stark und stammt aus der Coca-Cola-Stadt Atlanta. Dort wirkt der Chor als ständiger Partner des Atlanta Symphony Orchestra, dessen Erster Gastdirigent Donald Runnicles ist. So kommt es, dass der schottische Maestro, gestützt auf namhafte Sponsoren aus der Wirtschaft, den Atlanta Symphony Orchestra Chorus in Berlin präsentieren kann. Die Menge füllt nicht nur die Podiumsplätze der Philharmonie, sondern auch ein paar Reihen der Blöcke „H“ dahinter, während der Tölzer Knabenchor von der obersten Empore zu vernehmen ist. Gespielt wird Benjamin Brittens „War Requiem“, dieses Ausnahmewerk, das seine subjektive Originalität aus geronnener Geschichte – Wiedereröffnung der durch deutsche Bomber zerstörten Kathedrale von Coventry – und einer unvergleichlichen eklektischen Schöpferkraft bezieht. Für die Uraufführungssänger Pears und Fischer-Dieskau stehen heute Ian Bostridge und Christian Gerhaher ein, zwei außerordentliche, philosophische Interpreten, die den Gedichten des war poet Wilfried Owen, der im Ersten Weltkrieg gefallen ist, Schärfe und stets schlanken Ton geben.

Das Wunder aber ist der Chor, weil er aus seinen über 200 Kehlen ein Pianissimo am Rande der Stille zaubert: „Requiem aeternam.“ Weil er den lateinischen Text der Totenmesse in unglaublicher Klarheit singt, wie mit einer Stimme, zumal in der A-cappella-Reinheit. Da staunen auch die glänzenden Holzbläser, und der Dirigent, sehr britisch, bürgt dafür, dass die Fülle des Ausdrucks diskret bleibt.

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