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Trauerfeier für Dietrich Fischer-Dieskau: Der Sängerphilosoph

Dietrich Fischer-Dieskau starb im Mai. Nun verabschiedete sich die Deutsche Oper Berlin mit einer Trauerfeier von dem weltberühmten Sänger

War es die Präsenz des Künstlers in unseren Herzen, solange er lebte, ist es ein Mangel der Deutschen Oper an Enthusiasmus – die Trauerfeier, die sie „Dietrich Fischer-Dieskau zum Gedenken“ bereitet, stellt sich vor allem als Lücke dar. Hätte man nicht anders aufspielen müssen an dem Theater, das ihm gehörte, um dem Sänger, der die Welt verändert hat, ein letztes Lebewohl zu sagen? Mit Pauken und Trompeten und ganzer Seele?

Eher im zahlreich erschienenen Publikum scheint die Erinnerung zu beben als in der Programmgestaltung. Julia Varady ist natürlich anwesend, seine Frau und Partnerin in der „Figaro“-Inszenierung von Götz Friedrich. Damals Graf und Gräfin, Intellekt und Jugend, diese Bühne beherrschend. Ebenso wie seine Lieder, die hier nachklingen. Sie dominieren in den Nekrologen auf Fischer-Dieskau, weil sie sein Lebensthema waren. Die eher beliebige Vortragsfolge veranschaulicht, dass er mit nahezu aller Musik zu tun hatte, bis spät in seinen Meisterkursen. Yao Yao Brandenburg spielt Liszt-Adaptionen von Schumann und Schubert, Maraike Schröter und Martin Hensel singen Lieder, die Streicher im Quartett repräsentieren das Haus mit einem Mendelssohn-Satz. In der Gedenkansprache lässt Peter Gülke Nähe zu dem „Sänger-Philosophen“ und seiner „gelebten Musik“ spüren. Dass der Uraufführungssänger konservativ dachte und so viele Einspielungen hinterlassen habe wie kein anderer, ist die eine Seite. Die „dunklen Stunden des Altgewordenen“, wie verletzbar der Künstler mit steigendem Rang gewesen sei, findet sich als Ahnung und Gegenwart in seinem Singen.

Fischer-Dieskaus Tod am 18. Mai überraschte viele, obwohl er in wenigen Tagen den 87. Geburtag gefeiert hätte. Nun steht die Bühne am Ende einer Interimsspielzeit des Hauses leer: Der Flügel in der Mitte, als warte er auf den Schumann-Heine-Interpreten. Wie fern ist er uns als Don Giovanni in den gezeigten Ausschnitten der Produktion von 1961! Er wirkt, realiter 36-jährig, nicht jung, eher Mitte des Lebens, in angestaubtem Theater. Aber zugleich als der regierende Jahrhundertsänger. Der Wolfram-Mittenhofer-Mathis-Cardillac-Lear-Sachs-Alfonso-Künstler, die Ganzheit Dietrich Fischer-Dieskau. Sybill Mahlke

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