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Kultur: Traumschiff aus Klötzchen

Kindespielzeug einer Künstlerin: Holzobjekte von Alma Siedhoff-Busch im Berliner Bauhaus-Archiv

Das Bauspiel von Alma Siedhoff-Buscher weckt die Fantasie. Einundzwanzig farbige Holzklötzchen: Quadrate, Rechtecke und Dreiecke. Blau, rot, weiß, gelb, grün. Das kennt man. Doch das Sensationelle sind die drei Kreis-Segmente. Sie heben das 1923 entwickelte Bauspiel über jeden anderen Baukasten seiner Zeit hinaus. Elegant, ja fast filigran lassen sich die abstrakten Klötzchen zu konkreten Traumschiffen zusammenfügen. Zu Zweimastern mit windgefüllten Segeln, die durch die Kinderzimmer gleiten, als wären es die sieben Weltmeere. Ein kommerzieller Erfolg ist das Bauspiel nie gewesen, ebensowenig die anderen Holzspielzeuge, die Alma Buscher entworfen hat und die nun im Bauhausarchiv gezeigt werden. Ein Klassiker ist es trotzdem geworden.

1899 in Siegen geboren, studierte Alma Buscher zunächst in Berlin, ehe sie 1922 nach Weimar an das Bauhaus wechselte. Dort besuchte sie den Unterricht von Johannes Itten, Wassily Kandinsky und Paul Klee, ehe sie 1923 in die Holzbildhauerwerkstatt kam. Bei ihrer Arbeit entstanden nicht nur Holzspielzeuge, sondern auch einige hinreißende Möbel für Kinder. Folgerichtig entwarf sie für das „Haus am Horn“, mit dem das Bauhaus 1923 erstmals seine Arbeit am Beispiel eines Musterhauses in Weimar präsentierte, die Ausstattung des Kinderzimmers. Die Fotos und Entwurfszeichnungen in der Ausstellung zeigen die aus einzelnen Elementen additiv zusammengesetzte Spiellandschaft mit Kästen, Schränken und Regalen – samt eingebautem Puppentheater. Und auch Buschers Wickelkommode besticht durch Funktionalität. Waren die Kinder aus dem Windelalter herausgewachsen, konnte das Möbel als Schreibtisch umgenutzt werden. Was heute Alltag in den Kinderzimmern ist, das bedeutete in den 20er Jahren eine Revolution. Buschers Arbeiten tragen dabei den Kern des Bauhausgedankens in sich. Das Vereinfachen und Abstrahieren von Formen wird zum Gewinn gegenüber einer detailverliebten Kleinteiligkeit, die die Fantasie mehr einschränkt als sie zu weiten. Mies van der Rohes Ausspruch „weniger ist mehr“ findet in Buschers Entwürfen für Kinder seine Entsprechung.

Nach der Heirat mit dem Schauspieler Werner Siedhoff 1926 löste sich die Bindung zum Bauhaus. Die Familie folgte Siedhoff nun zu seinen Theaterengagements. Alma Buscher suchte neue Ziele, doch eine angestrebte Zusammenarbeit mit dem Otto-Maier-Verlag kam nie über erste Ansätze hinaus. Dennoch entwickelte sie den Prototyp für eine zweibändige Malschule für Kinder, die Elemente der Bauhaus-Ausbildung aufnahm und zugleich die Balance zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit wahrte. Zwei Heftchen, die auch in der Nachkriegszeit das Zeug zum Klassiker gehabt hätten. Doch dazu kam es nicht: 1944 starb Alma Siedhoff-Bucher bei einem Bombenangriff. Ihr Bauspiel von 1923 aber segelt bis heute als Traumschiff durch die Kinderzimmer.

Bauhaus-Archiv, Klingelhöferstr. 14, bis 20. März. Katalog 14,95 €.

Jürgen Tietz

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