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Es muss knallen. Thomas „Thomilla“ Burchia, 38, und Michael „Michi“ Beck, 44, sind die Turntablerocker.

© Universal

Turntablerocker: „Der Kater ist schlimmer“

Die Turntablerocker haben nach zehn Jahren wieder ein Album gemacht. Ein Gespräch über deutsche Texte, Berlin, das Altern und typische DJ-Krankheiten.

Herr Beck, Herr Thomilla, fühlt es sich für Sie momentan wie ein Comeback an?

BECK: Erstaunlicherweise live überhaupt nicht. Das letzte Album ist zehn Jahre her, aber wir haben ja die ganze Zeit durchgehend als DJ-Team gespielt. Wir bewegen uns musikalisch irgendwo zwischen Hip-Hop und Techno. Wir nennen das auch Wildstyle, weil uns keine bessere Definition einfällt. Das hört man auf dem neuen Album „Einszwei“.

Die alten Alben klangen mehr nach Disco. Jetzt sind Technoeinflüsse und 90er- Sounds ziemlich deutlich zu hören. Hat das was mit Ihrer neuen Heimat Berlin zu tun?

BECK: Das war ein Findungsprozess. Ich bin 2002 hierher gezogen, Milla erst Mitte 2005. Als wir neu hier waren, haben wir geglaubt, wir müssten uns am Sound der Stadt orientieren, und haben erst mal eine Weile gebraucht, um zu merken, dass dieser typische Berlinsound, das Minimalistische, Technoide, nicht unser Ding ist. Allerdings sind wir nun schon seit sieben Jahren hier – das hat wahrscheinlich Spuren hinterlassen.

Wie nehmen Sie die Veränderungen in der Kunst- und Kulturszene der Stadt war?

BECK: Ich finde nach wie vor, dass Berlin in Deutschland eine Sonderstellung hat. Obwohl jede Stadt, die boomt, auch eine Kommerzialität mit sich bringt. Das bedeutet aber nicht, dass es deswegen schlechter wird. Dasselbe Schicksal haben auch London und New York. Das sind immer noch die Ton angebenden Städte für Musik und andere Kunstformen.

THOMILLA: Es wird nur schwieriger, sich zu behaupten, weil es langsam ein Überangebot gibt. Ich kenne auch einige, die wieder aus Berlin wegziehen.

BECK: Berlin ist eben das deutsche „If you make it here, you can make it anywhere“. Im Vergleich zu anderen großen Musikmetropolen ist das Wohnen in Berlin immer noch günstiger, und es ist einfacher, neue Spielwiesen zu eröffnen. Man muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass es immer im gleichen Bezirk sein muss.

Was glauben Sie, wie die neuen Sachen so bei den alten Fans ankommen?

BECK: Wir haben die Pause als Chance gesehen, nicht irgendwo weitermachen zu müssen. Die meisten hören wahrscheinlich zum ersten Mal von uns. Uns ist bewusst, dass die Mischung aus deutschen Texten und Clubmusik sehr polarisierend sein wird. Viele wollen das bestimmt nicht im Club haben, aber da war uns das Albumformat wichtiger: es erzählt eine Geschichte, ist wie eine Reise.
Ist es schwer, sich zu reduzieren, wenn man schon so lange Musik macht?
BECK: Vielleicht schon. Ich mache jetzt seit 20 Jahren mit den Fantastischen Vier Musik, Milla macht seit acht Jahren bei uns mit. Da ist zum einen sicher die sich entwickelnde Musikalität, zum anderen eine Portion Pop, die bei uns einfach mit drin ist.

THOMILLA: Eine Produktion wie jetzt hätten wir uns vor zehn Jahren vielleicht nicht zugetraut. Für die letzten Fanta- Vier-Produktionen haben wir musikalisch ähnlich gearbeitet. Fast alle Instrumentals waren fertig produziert, dann wurden sie mit einer Band eingespielt, davon die Essenzen genommen und elektronisiert. Das hat mich animiert, es bei den Turntablerockern auch so zu machen.

Wird es denn schwieriger, Lieder zu schreiben, je mehr man über Musik weiß?

BECK: Das stelle ich mehr bei anderen Musikern fest. Die sind super virtuos und wissen alles in der Theorie. Das haben wir überhaupt nicht drauf, wir können keine Noten lesen. Wir wissen nicht, dass der G7-Akkord automatisch auf a-Moll umleitet und die parallele Tonart dazu dann vielleicht C-Dur ist. Wir gehen hin, versuchen, den Akkord auf dem Keyboard zu finden, und schauen, was dazu passt. Manchmal würde das in der Theorie gar nicht passen, und wenn du das als Musiker weißt, dann beschränkt es dich manchmal eher.

Sie haben gesagt, die Texte auf dem Album seien auf Deutsch, weil Sie kein Englisch können. Ist das Koketterie?
BECK: Nein, ist es nicht. Texte funktionieren durch Ironie, Zwischentöne, Doppeldeutigkeiten und derer fühle ich mich im Englischen nicht so mächtig. Vor allem haben wir viele Texte mit wenigen Worten, die sich wiederholen und eine Stimmung ausdrücken. Ich weiß nicht, ob ich das auf Englisch hingekriegt hätte, oder ob es dann nur ein banales „Put your hands up in the air“-Niveau bekommen hätte.

Sie haben es meist mit einem viel jüngeren Publikum zu tun. Wie kommen Sie mit dem Altern hinterm DJ-Pult klar?

THOMILLA: Während des Auflegens ist man in einer Welt, in der man sich gegenseitig pusht. Und es ist ja auch geil, dass da noch so viele junge Leute zu unseren Auftritten kommen. Sonst hätten wir wahrscheinlich eine andere Platte gemacht. Vielleicht so Tanztee mit den Turntablerockern am Nachmittag. Aber ich glaube schon, dass der Kater am nächsten Tag mehr schmerzt als vor zehn Jahren.

BECK: Ja, tut er. Man beschränkt die Clubbesuche mehr auf die DJ-Jobs.

THOMILLA: Das ist so eine DJ-Krankheit. Wenn man in den Club geht, will man am liebsten selbst auflegen. Deshalb fiel es mir auch schon vor zehn Jahren schwer, privat auszugehen.

BECK: Und weil du immer so schnell betrunken bist.

THOMILLA: Das kann auch sein.

Sie sind ja wie ein altes Ehepaar!

THOMILLA: Ein altes Ehepaar mit getrennten Betten. Eher platonisch, man fasst sich nicht mehr so oft an. Aber man weiß genau, wie der andere tickt.

- Das Gespräch führte Katrin Gottschalk. „Einszwei“ erscheint bei Universal. Die Turntablerocker spielen am 30.3. im Weekend-Club.

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