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Kultur: Über den Hunger nach Überzeugungstätern

Auch wenn es noch ein halbes Jahr dauert, bis Kent Nagano sein Amt als Chefdirigent des Deutschen Symphonieorchesters antritt, haben die Berliner ihn schon längst für sich vereinnahmt. Die Sympathie, die Nagano in seinen Konzerten entgegenschlägt, ist eigentlich nur mit der kollektiven Vorfreude auf Simon Rattle vergleichbar - und nebenbei ein deutlicher Beweis dafür, wie sehr auch die Musikstadt Berlin mit ihrem Überangebot an Konzerten solchen Persönlichkeiten entgegengehungert hat.

Auch wenn es noch ein halbes Jahr dauert, bis Kent Nagano sein Amt als Chefdirigent des Deutschen Symphonieorchesters antritt, haben die Berliner ihn schon längst für sich vereinnahmt. Die Sympathie, die Nagano in seinen Konzerten entgegenschlägt, ist eigentlich nur mit der kollektiven Vorfreude auf Simon Rattle vergleichbar - und nebenbei ein deutlicher Beweis dafür, wie sehr auch die Musikstadt Berlin mit ihrem Überangebot an Konzerten solchen Persönlichkeiten entgegengehungert hat. Denn Rattle und Nagano eint eins: Beide sind Überzeugungstäter, die glaubwürdig vermitteln können, dass ihren Interpretationen tiefgehende Auseinandersetzungen statt bloßer Routine zugrunde liegen. Das heißt andersherum: Man geht in ein Rattle- oder Nagano-Konzert nicht in erster Linie wegen des Programms, sondern weil man dem Interpreten vertraut. Und im Falle Naganos, dass auch diejenigen, die noch nie ein Stück von Olivier Messiaen gehört haben, glauben, Nagano könne ihnen einen Zugang zu dieser Musik vermitteln. In den letzten Jahren ist Nagano zu dem führenden Messiaen-Dirigenten geworden, mit keinem Komponisten hat sich der einstige Assistent von Seiji Ozawa so kontinuierlich beschäftigt. Sein Debüt mit den Berliner Philharmonikern vor drei Jahren galt Messiaens letztem großen Orchesterwerk, diesmal tritt er mit Messiaens abendfüllender Turangalîla-Sinfonie an. Vor den Konzerten am Freitag und Samstag in der Philharmonie findet jeweils um 19 Uhr eine Einführungsveranstaltung mit Nagano und den Solisten des Stücks statt (10. u. 11. 3.).

Pierre-Laurent-Aimard, der den Klaviersolopart in der Turangalîla-Sinfonie spielt, ist gewissermassen das pianistische Nagano-Pendant. Seine Interpretationen haben den Segen des 1992 verstorbenen Meisters höchstselbst. Da ist es schon fast Ehrensache, ihn gleich mit Messiaens wichtigstem Klavierwerk, den "Zwanzig Blicke auf das Jesuskind", für die Philharmonie-Reihe "Klavier um vier" mitzuverpflichten, auch wenn der zweistündige Zyklus den Kammermusiksaal vermutlich nur schwer füllen wird (12. 3.). Zumal der Berliner Konzertkalender für den gleichen Tag noch drei andere Klavier-Solorecitals aufweist. Käme es Aimard in den Sinn, plötzlich seinen Messiaen halb so schnell zu spielen wie sonst, käme es im Kammermusiksaal sogar zur Terminkollision mit dem Beethoven-Zyklus von Louis Lortie. Auch wenn die künstlerischen Ergebnisse bislang zwiespältig waren, hat sich Lortie mit diesem Zyklus endgültig im Konzertleben der Stadt etablieren können. Inzwischen ist er auch regelmäßiger Konzertsolist bei den Berliner Orchestern und tritt vier Tage nach seinem Beethoven-Abend mit Rachmaninows zweitem Klavierkonzert auf. Im Anschluss wird das Orchester der Komischen Oper mit seinem scheidenden Chefdirigenten Yakov Kreizberg noch die fünfte Sinfonie von Dimitri Schostakowitsch spielen, die am gleichen Tag auch auf dem Programm des DSO-Konzerts in der Philharmonie steht. Doch das ist weniger ein Problem der Routine als der nicht vorhandenen Programmabstimmung.

Jörg Königsdorf

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