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Kultur: Über die Gemütlichkeit: Eine Akademie-Debatte

EineMoritz Schuller Wie gemütlich ist das neue deutsche Parlament? Gar nicht, meinte der Bauhistoriker Michael Cullen, "kalt und abweisend" sei es und so wenig "wohnlich", dass sich die Bewohner dort nie lange aufhalten würden.

EineMoritz Schuller

Wie gemütlich ist das neue deutsche Parlament? Gar nicht, meinte der Bauhistoriker Michael Cullen, "kalt und abweisend" sei es und so wenig "wohnlich", dass sich die Bewohner dort nie lange aufhalten würden. Die Abgeordnete Franziska Eichstädt-Bohlig, beichtete, im Reichstag befalle sie die "Schwere der Verantwortung". Nur der Architekt Heinrich Moldenschardt, in der Akademie der Künste ebenfalls auf dem Podium, konnte sich zur Wohnlichkeit nicht äußern - er hatte den Reichtag noch nicht besucht. Man war sich dennoch einig: der Bonner Bau sei gemütlicher gewesen. Die Diskussionsrunde zum Thema "Der Raum und die Reden - Das Parlament im Reichstag" wäre auch ganz gemütlich verlaufen, hätte ihr der Journalist Michael Mönninger nicht ein Rückgrat eingezogen. "First we shape our buildings, and then our buildings shape us", lautete das Churchill-Zitat, und damit brannte hinter der Gemütlichkeit des "Doms der Demokratie" (Mönninger) die Frage: Wie gemütlich sind die Deutschen?

Der Bundestagspräsident begann kraftvoll: der Reichstag sei das "attraktivste Parlamentsgebäude der Welt". Außerdem: ein Arbeitsparlament müsse funktional sein. Auch an seiner Differenz zu Churchill ließ Thierse keinen Zweifel. Von der ihn umgebenden Architektur, sagte er kühl, bleibe er weitgehend unbeeinflusst, und schilderte, wie geschickt er sich dem Einfluß der Fosterschen Architektur entziehe: er habe in seinem Büro eine Grünpflanze aufgestellt, obwohl Norman Foster das verboten hatte. Dazu einen Gobelin, der auf den großen Wänden sehr gut zur Geltung komme. Ein durch und durch funktionales Büro also.

Thierses geringer Glaube an die Wirkung (oder gar die Macht) der Architektur brachte ihm aber auch den Unmut des Publikums ein, als es um das nie verwirklichte Bürgerforum ging. Voller Symbolik für das Gelände zwischen Kanzleramt und Reichstag in die Pläne eingezeichnet, wird das Bürgerforum nun doch nicht gebaut. Für Thierse eine Chance der Bürger, sich das offene Areal als Diskussionsforum anzueignen.

Die Zuhörer fühlten sich dagegen ohne ein architektonisch ausformuliertes Bürgerforum missachtet. Und kaum sprach Thierse von dem geplanten Platz als "Raum", korrigierte ihn ein Architekt im Publikum, es sei ja gerade kein Raum. Am Ende bezeichnete der Bundestagspräsident das einstige Bürgerforum schlicht als "Fläche". Gemütlich wird diese Fläche, zwischen Kanzleramt und Reichstag, sicher nicht werden.

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