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Kultur: Um jeden Preis

Vom Entdecker zum Spekulanten: Wie Charles Saatchi einen neuen Sammlertypus begründet hat

Er trägt Pumphosen und kurzärmlige weiße Hemden. Und er macht sich rar: Als vor zwei Jahren sein neues Privatmuseum in der County Hall an der Themse mit einem spektakulären Happening des amerikanischen Künstlers Spencer Tunick eröffnete, schickte er seine Frau, die Fernsehköchin Nigella Lawson, zur Vernissage und spielte mit deren Kindern zu Hause Scrabble. Die Ehe mit der „Domestic Goddess“, wie die britischen Medien die schöne Köchin tauften, setzt den vielen Mythen um den Supersammler Charles Saatchi die Krone auf. 50000 Pfund gibt er angeblich jährlich für seine Go-Kart -Leidenschaft aus, und in seinem Fuhrpark stehen 17 Autos. Am liebsten aber stöbert Charles Saatchi in Künstlerateliers, Galerien und auf Messen. Und zwar möglichst vor allen anderen. Als ihm die Londoner Frieze in diesem Jahr eine private Vorbesichtigung verweigerte, war er so beleidigt, dass er einen in der „Saatchi Collection“ geplanten Empfang kurzerhand wieder absagte.

Mit dieser geschickten Mischung aus Selbstdarstellung und Verschwiegenheit pflegt Saatchi seinen Mythos. Der 62-jährige Werbemillionär entzieht sich den Blicken, gibt selten Interviews – und doch mangelt es nie an Nachrichten über ihn. Er gilt als wechselhaft wie ein Chamäleon, als schüchtern und eitel zugleich. Selten gesehen, aber einer der „gern im Mittelpunkt steht“, wie der Londoner Kunstvermittler Karsten Schubert sagt. Er kennt Saatchi, seit der Kunstmaniac in den frühen Achtzigerjahren mit seinem Rolls Royce bei der Lisson Gallery vorfuhr, um Minimal Art zu kaufen. Saatchi gibt sich gern bescheiden und doch als Mäzen, der jungen Künstlern zum Durchbruch verhilft. Als er 1997 seine „Sensation“-Ausstellung auf Weltreise schickte, gehörte der Eindruck, Saatchi habe das steife, traditionsversessene England im Alleingang in die Geburtsstätte der zeitgenössischen Avantgarde verwandelt, zum Programm.

Immer öfter tritt der britische Medici auch als machthungriger Manipulator von Kunst und Markt auf. Wenn Saatchi das Scheckbuch zückt, um ganze Ausstellungen zu kaufen, stehen Reputationen auf dem Spiel. Künstler hoffen auf den Ruhm, den Saatchi bringt, und zittern vor der Macht, mit der er ihn wieder zerstören kann. Für eine Million Pfund erwarb er zuletzt Jake & Dinos Chapmans Ausstellung „Works of the Chapman Familiy Collection“ komplett. „Er ist ein Hai, ein Fucker, aber nett“, kommentierte Jake Chapman. Saatchi hat als Sammler die Spielregeln neu geschrieben. Er folgt nicht den Moden, sondern schafft sich die Kunsttrends selbst, so wie ein Werbeprofi Waschmittel oder Zigarettenmarken etabliert.

Umso erstaunlicher, dass er nun auf einen bereits rollenden Zug aufgesprungen ist: „Der Triumph der Malerei“, heißt die Schau, mit der am 26. Januar in der Saatchi Collection ein neuer Ausstellungszyklus beginnt. Saatchi hat in den letzten Jahren im großen Stil Gemälde von Peter Doig, Luc Tuymans, Marlene Dumas, Jörg Immendorff und Martin Kippenberger erworben und mit teilweise enorm hohen Auktionszuschlägen deren Marktwert kräftig nach oben getrieben. Es scheint, als sei das Feuer in Saatchis Kunstlager im Sommer 2004, bei dem vor allem installative Werke von Tracey Emin, Damien Hirst oder Chris Ofili verbrannten, das Autodafé einer Kunstdekade gewesen. Nun soll sogar Damien Hirsts Haifisch in Formaldehyd verkauft werden, der Saatchi fast 15 Jahre lang als Wahrzeichen der von ihm lancierten „Young British Art“ diente.

Der Sammler hat schon früher gezeigt, wie es geht. 1990 verkaufte er seine erste große Kollektion. Minimalismus und Pop Art waren dabei, aber auch Werke von Kiefer und Baselitz. Vor allem aber britische Malerei von Lucien Freud und Francis Bacon, aber auch Frank Auerbach und Leon Kosoff, die dann jahrelang ein ziemlich stilles Marktdasein führten. Mit dem Verkaufsgewinn von schätzungsweise 20 Millionen Pfund kaufte sich Saatchi dann flächendeckend in Londoner Studentenateliers ein. Mit 50000 Pfund ermöglichte er 1991 dem jungen Kunststudenten Damien Hirst, sich aus Australien einen Haifisch liefern zu lassen und diesen in Formaldehyd zu fluten. „Die physische Unmöglichkeit des Sterbens in den Gedanken eines Lebenden“ hieß das Meisterwerk, an dem Saatchi auch noch festhielt, als er Anfang des Jahres fast seinen gesamten Hirst-Block an den Künstler zurückverkaufte. Hirst wollte verhindern, dass seine Werke auf den Auktionsmarkt kommen. Zuvor war es bereits zu Spannungen zwischen den beiden gekommen, nachdem Saatchi angeblich die geplante Hirst-Retrospektive verhindert hatte, indem er Leihgaben an die Tate Gallery verweigerte. Nun soll der vom Zahn der Zeit schon angenagte Hai 6,25 Millionen Pfund kosten – 9 Millionen Euro – , ein Preis, wie ihn ein lebender Künstler nie zuvor in der Marktgeschichte erzielt hat.

Denn Saatchi treibt wieder einmal Lust auf Neues um. Hirsts „Away from the Flock“, das Schäfchen im Glaskasten, soll er für 2,1 Millionen Pfund verkauft haben. Stiller ging ein anderes Geschäft über die Bühne: Rachel Whitereads „Ghost“, der Innenausguss eines Zimmers, das der Sammler Anfang der Neunziger für 10000 Pfund von Karsten Schubert gekauft hatte, wurde über die Larry Gagosian Galerie in die USA verkauft – es wird mindestens 2 Millionen Dollar gekostet haben. Mit Gagosian hat Saatchi schon beim Verkauf seiner Baselitz- und Warhol-Werke in den späten Achtzigern zusammengearbeitet. Über die undurchsichtige Geschäftsbeziehung zwischen dem britischen Supersammler und dem amerikanischen Superdealer wurde immer schon spekuliert. Mit Gagosian vermarktete Saatchi die Malerin Jenny Saville, mit ihm organisierte er die großen New Yorker Hirst-Ausstellungen. Auch der Haifisch-Verkauf wurde über den Amerikaner eingefädelt, und „Ghost“ stand einst in Gagosians Londoner Galerie, wo man Tate Direktor Nicholas Serota offenbar mitteilte, die Skulptur sei nicht verkäuflich. Saatchis stille Fehde mit dem Direktor der Tate, dem er seine Brit Art immer wieder verlockend vor die Nase hielt, nur um sie ihm dann zu verweigern, gehört ebenfalls zum Mythos des Sammlers.

„Wenn ich an Kunst als Investition interessiert wäre, würde ich Picasso und Matisse zeigen“, behauptete er vor zwei Jahren in der „New York Times“ und gab sich als selbstloser Kunstförderer. „Ich kaufe neue Kunst. Neunzig Prozent davon wird in zehn Jahren wertlos sein.“ Doch die Verkaufsserie der letzten Jahre zeigt, wie weit diese zehn Prozent reichen. Vieles wurde bei den Auktionshäusern Christie’s und Sotheby’s versteigert. Mindestens 40 Millionen Pfund dürfte Saatchi allein mit der Young British Art verdient haben.

Charles Saatchi, der seine Geschäft über seine Handelsgesellschaft Conarco abwickelt, hat darüber hinaus vorgemacht, wie man ein Privatmuseum schamlos zur Wertsteigerung seiner Kunst einsetzen kann – was inzwischen zahlreiche Sammler in anderen Ländern ihm nachmachen. Er hat die fließenden Grenzen zwischen Sammler und Händler systematisch und bis zur Unkenntlichkeit verwischt. Umstritten ist nur noch eines: Ob sich Saatchi dabei auf ein begnadetes Auge für die Kunst verlassen kann – oder auf seine Macht als Großeinkäufer. Die mittellosen Kunstkritiker kommen auf jeden Fall zu spät, wenn sie sich in wenigen Wochen seiner neuen Malereiausstellung annehmen. Die Werte sind längst geschaffen.

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