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Kultur: Umkehrschüsse

Dass ein Begriff nur Sinn macht, wenn auch sein Gegenteil sinnvoll ist, wusste schon Philosophie-Altmeister G. W.

Dass ein Begriff nur Sinn macht, wenn auch sein Gegenteil sinnvoll ist, wusste schon Philosophie-Altmeister G. W. F. Hegel. Diesen Gedanken der Umkehrung stellt der junge Künstler Johannes Wohnseifer in das Zentrum seiner Ausstellung „elimination of dialogue“ in der Galerie Johann König. Dabei dreht er nicht nur Prinzipien der eigenen Arbeit vom Kopf auf die Füße, sondern ein Stück weit auch die der üblichen Ausstellungspraxis: Durch das große Schaufenster der Galerie ist kaum etwas zu sehen, stattdessen dröhnt laute Musik. Auf den zweiten Blick bemerkt der Besucher drei weiße Holzkisten, dann ein langes Gemäldefries am Ende des Raums. Schon jetzt bestimmen Umkehrungen wie „Hören statt Sehen“ und „Leere statt Fülle“ das ästhetische Geschehen, doch es kommt noch widersprüchlicher. Denn Wohnseifer entwickelt ein dichtes Netz unterschiedlichster Referenzen.

Die poppige Musik stammt von zwei CDs der Band Nerd. Die gleichen Songs sind einmal mit elektronischen und einmal mit akustischen Instrumenten eingespielt worden. „Nerd“ steht für „No one ever really dies“ – und damit wären wir bei dem Gemäldefries, das mit seiner Pop-Art-ähnlichen Malweise die Geschichte eines 1999 abgeschossenen amerikanischen Stealth-Fighters erzählt. Diese Kampfflieger galten als unsichtbar für gegnerische Flugabwehrsysteme. Doch man hatte die jugoslawische SAM-Technik unterschätzt, und so tanzt eine serbische Bäuerin auf einer Tragfläche des abgeschossenen Flugzeuges. Die Lautstärke der Musik von Nerd verhindert einerseits den Dialog in der Galerie – wie der Titel der Ausstellung ankündigt– und gibt andererseits der tanzenden Bäuerin musikalische Unterstützung.

Von Kuben und Kisten

Zurück zum Flugabwehrsystem: Es wurde im Geburtsjahr des Künstlers in Betrieb genommen und „cube“ genannt, genau wie der „white cube“ des Kunstraumes, auf den die besagten drei weißen Holzkuben in der Ausstellung anspielen. Im Inneren dieser Kisten sind farbige Klettergriffe angebracht, die scheinbar zur Interaktion aufrufen. Bereits in der Ausstellung „German open“ anno 1999 zeigte Wohnseifer solche Kuben, damals jedoch in Tarnnetzen eingepackt. Weiter mit den vorgestellten Umkehrungen: Das Gemäldefries ist teilweise gemalt mit selbstreflektierender Scotchlike-Farbe, mit einer Farbe also, die statt zu tarnen, extrem auffällt. Dem in Köln lebenden Künstler gelingt es in „elimination of dialogue“, nicht nur über seine widerspruchsvolle Faszination von moderner Kriegstechnologie zu erzählen, er kann sie zudem mit „Avantgarde“-Kunst kurzschließen. Fast nebenbei schleust er noch biografische Momente ein.

Es ist bereits die zweite Ausstellung in der neuen Berliner Galerie Johann König. Der Sohn des bekannten Kurators und Neffe eines wichtigen Kunstverlegers hat jetzt, wie sein Bruder Leo in New York, eine Galerie für junge Kunst eröffnet. Dass er dies in Berlin tut, hat vor allem drei Gründe, so der Anfang 20-Jährige: In Köln sitzt die Familie, London ist zu teuer und in Berlin begeistert ihn immer noch die Aufbruchstimmung. Seine Ausstellungen mit dem Dänen Jeppe Hein, der Künstlergruppe Gelatin oder Thomas Scheibitz werden die Berliner Szene in jedem Fall bereichern. Raimar Stange

Galerie Johann König, Weydingerstraße 10, Dienstag bis Sonnabend 11-19 Uhr.

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