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Kultur: Und ewig schluchzt die Mundharmonika

Gute Gewalt, böse Gewalt. Im Western fließt Blut, und die Zahl der Leichen bestimmt nur zu oft seine Qualität.

Gute Gewalt, böse Gewalt. Im Western fließt Blut, und die Zahl der Leichen bestimmt nur zu oft seine Qualität. Aber es ist Gesetz, dass es von den Bösen am Ende mehr treffen muss als von den Guten. Und dennoch bleibt stets ein Hauch Müdigkeit, eine seltsame Melancholie - irgendwann wird alles von vorn losgehen... So verläuft auch das Abenteuerstück "Der Zug kommt um zwölf", das Constanze Knoche und Harald Fuhrmann im Studiotheater bat "nach bekannten Western-Motiven" erzählen.

Welchem Vorbild der Theatertext folgt, muss aus juristischen Gründen offen bleiben, und die Vorstellung ist nur für Mitglieder des Vereins der Freunde, Förderer und Absolventen der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" zugänglich (Mitgliedschaft kann am Abend der Vorstellungen erworben werden). Dennoch: Mit Mut, Geschick und Phantasie stürzte sich der Regiestudent Harald Fuhrmann in ein Unternehmen, das sich keiner Beschränkung unterwirft, also in Bild, Spiel, Musik zwei Stunden totales Theater liefern will.

Der hohe Anspruch kann nur zum Teil eingelöst werden. So genau die Western-Szenerie stimmt, so geschickt und flink sie sich im Spiel verwandelt, so einfühlsam eine musikalische Stimmung gewoben wird, schauspielerisch bleibt das Ganze Stückwerk. Zumal sich Harald Fuhrmann um eine Haltung zum Western herumdrückt. Sieht er die Geschichte ironisch? Wenn die Gangster mit puppengemachten Pferdeköpfen einreiten, wenn die Klischees des Revolverhelden-Verhaltens bis ins Detail abgearbeitet werden, glaubt man es fast. Aber dann kippt die Geschichte doch wieder um, es gibt die langen, lastenden Pausen, das Überlegen vor dem Handeln. Hier müsste entschiedener gefragt werden, was die Geschichte des Aufrechten, der allein gegen die Verbrecher-Bande antritt, erzählen will.

Der Regisseur gibt seinen Darstellern wenig Hilfe. Mattes Herre als Marshal Will Kane kann die Geschichte nicht tragen, auch mit großer Anspannung ist die Lebens- und Leiderfahrung des Helden für den sehr jungen Schauspieler nicht herstellbar. Hier hätte aus der Geschichte entschlossener ausgestiegen werden müssen. Denn auch Melanie Straub kommt mit der jungen Frau des Will Kane nicht zurecht, verliert sich in einer verklemmten, schreienden Hysterie.

Und doch hat die Aufführung ihre Meriten. Fuhrmann kann szenisch organisieren, er fügt ein großes Ensemble von Darstellern und Musikern zu einer lebendigen Einheit zusammen, er hat ein sicheres Gespür für Tempoverschiebungen und malt mit sinnlicher Lust die Western-Stimmungen am Bahnhof, im Saloon, in der Amtsstube aus. Da wird Theater lebendig, mit pfiffig nostalgischer Technik. Rauch wabert, Lichter blinken, die Mundharmonika schluchzt - und endlich knallen feuersprühend die Schießeisen. Sie liefern, gekonnt arrangiert, die unabdingbaren Leichen auf dem schwarzen Parkett.

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