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Kultur: Unkraut im Paradies

Es grünt so grün: eine Ausstellung über gemalte Gärten im Frankfurter Städel-Museum

Es ist ein Trauerspiel: Deprimierendes Braungrau beherrscht das Bild, hier und da trotzt ein kahler Baum dem Winter. Allein am Horizont leuchtet ein verheißungsvolles Gelb. Den elterlichen „Garten des Pfarrhauses in Nuenen“ malte Vincent van Gogh 1885 als bedrückendes Stück eng umgrenzter Heimat. Der Künstler, dessen Karriere als Kunsthändler gerade gescheitert war, war vorübergehend in sein Elternhaus zurückgekehrt. Und doch fühlte er sich hier nicht willkommen und blieb nur zwei Jahre.

Auch Adolf von Menzel hatte 1844 einen eher schmucklosen Hinterhofgarten gemalt. Karg, ungepflegt und voller Unkraut ist das mit Holz umfriedete Grundstück. Anders als bei van Gogh gewinnt der Betrachter jedoch nicht den Eindruck, der Künstler wolle in erster Linie einer depressiven Stimmung Ausdruck verleihen. Vielmehr sind es vor allem die Unmittelbarkeit und die Wertschätzung für Details, die in dieser Arbeit mit der ungewöhnlich kantigen Komposition zum Ausdruck kommen.

In einer Ausstellung zum Thema „Garten“ hätte man allerdings beide Werke nicht unbedingt vermutet. Tatsächlich geht es bei den meisten der mehr als 200 Exponate, die das Frankfurter Städel-Museum für seine Ausstellung „Gärten: Ordnung, Inspiration, Glück“ zusammengetragen hat, weitaus idealtypischer zu. Vor allem im „Paradiesgärtlein“, dem Gemälde eines anonymen Meisters aus dem beginnenden 15. Jahrhundert, das den Anlass für die Schau gab. Maria sitzt hier, in ein Buch versunken, in der Ecke eines prächtigen Gartens. Neben ihr stehen Wein und Obst bereit, um sie herum herrscht entspanntes Treiben. Das Jesuskind spielt unter der Obhut einer jungen Dame auf einer Zither, Erzengel Michael und Luzifer sitzen einträchtig neben dem Erdbeerstrauch. Das „Paradiesgärtlein“ gehört zu den prominentesten Darstellungen eines gemalten Gartens in der Kunstgeschichte. Dies liegt nicht zuletzt an seiner naturwissenschaftlichen Detailgenauigkeit: Zwölf identifizierbare Vogelarten und 24 Pflanzen finden sich in der von Mauern geschützten Idylle. Die Holztafel bildet somit eine Art Zentrum zwischen den Polen, innerhalb derer sich die Ausstellung bewegt: der Garten als Projektionsfläche menschlicher Sehnsüchte, als intimes Privatbild, in dem ästhetische Neuerungen problemlos ausprobiert werden konnten, und – nicht zuletzt – als Nährboden für wissenschaftliche Erkundungen.

Bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts arbeitete Hans Weiditz an einem botanischen Bestimmungsbuch. Als erster Zeichner der frühen Neuzeit vertraute er ausschließlich auf seine Beobachtungsgabe und zeichnete Pflanzen sachlich, ohne sie zu idealisieren. Ganz anders muten um 1630 Georg Flegels bezaubernde Tulpenbilder an, die vom Künstler sehr lebendig als florale Individuen dargestellt wurden. Zu den Kostbarkeiten der Schau gehören auch Teile aus dem Herbarium von Johann Wolfgang Goethe, der den Garten als Welterklärungsmodell nutzte, in dem die Utopie einer universellen Harmonie sich auch im Detail ausdrückt – ein Ansinnen, das sich noch Jahrhunderte später in Arbeiten von Paul Klee und Joseph Beuys findet.

In Frankreich ging man derweil ganz andere Wege. Nicht die detaillierte Flora hatte etwa Jean-Antoine Watteau mit seiner „Einschiffung nach Kythera“ 1710 im Sinn. Für ihn symbolisierte der Garten das Paradies: eine gesellschaftliche Utopie, in der die Menschen gleichberechtigt und ohne Mühsal das Leben genießen. Regelrecht in Mode kamen Gartendarstellungen im späten 19. Jahrhundert bei den Impressionisten und ihren Vorläufern. Anders als in den imaginären Ideallandschaften Caspar David Friedrichs wurde der Garten nun wahlweise zum Schauplatz der durch Landflucht und Industrialisierung ausgelösten Entfremdung oder zum letzten Hort unbeschwerten Amüsements. So hielt Eduard Manet die flüchtige Stimmung einer ungezwungene „Krocketpartie“ mit lockeren Pinselstrichen fest. Bei Monet liegt man entspannt im Gras, und bei Renoir vergnügt sich die heitere Pariser Gesellschaft im lichtdurchfluteten Grün. Bei van Gogh, Schiele und Munch wiederum erhält die Natur höchst beunruhigende Züge. Da werden Bäume zu Stellvertretern verkrüppelter Seelen, suggerieren dichte Wälder Bedrohung und Schmerz.

Während diese Epoche im Städel mehr als ausführlich dokumentiert wird, kommen die Zeitgenossen ein wenig zu kurz. Zwar sind mit dichten Blumenprojektionen von Peter Fischli und David Weiss, einer Dschungelfotografie von Thomas Struth und einem Leuchtkasten von Jeff Wall ebenso aktuelle wie auratische Werke vertreten, die thematisch geschickt gehängt wurden. Doch hätte es wohl noch einiger weiterer Beispiele davon bedurft, um nicht gelegentlich ein schleichendes Gefühl wenn auch botanisch gepflegter Langeweile aufkommen zu lassen.

Städel Museum, Frankfurt, bis 11. März 2007, Katalog: Hatje Cantz Verlag, 29,90 Euro, www.staedelmuseum.de

Sandra Danicke

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