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Kultur: Unzucht mit Tönen

Das war nun wirklich keines von diesen Potpourri-Konzerten, die einen willkürlich wechselnden Stimmungen aussetzen.Das Berliner Sinfonie-Orchester unter Walter Weller hielt im Großen Saal des Schauspielhauses das Barometer auf prunkvoll.

Das war nun wirklich keines von diesen Potpourri-Konzerten, die einen willkürlich wechselnden Stimmungen aussetzen.Das Berliner Sinfonie-Orchester unter Walter Weller hielt im Großen Saal des Schauspielhauses das Barometer auf prunkvoll.Schon der 13jährige Wolfgang Amadeus Mozart wußte mit Pauke und Trompeten umzugehen.Zwar zeigte die C-Dur Sinfonie KV 73 noch Fesseln, die Mozart erst bei der Mannheimer Bohème ablegte, aber wie oft bei einem jungen Mozart hörte sich auch dieser als gewichtige Vorahnung größerer Dinge an.Trotz großem Streicherchor balancierten die BSO-Musiker zwischen Kraft und Zartheit und ließen bedrückende Mollsekunden nicht untergehen.Weller konnte in Beethovens fünftem, in strengglänzenden Es-Dur gesetztem Klavierkonzert gut über seine eigene Schulter sehen und hören, um die Freiheiten des Solisten mit den orchestralen Notwendigkeiten abzustimmen.Nelson Freire hatte sich am Klavier außer auf die obligatorisch zu bewältigende Übergänge von energisch gehämmerten Signalen in weich schwingende Arpeggien besonders auf die kleinen rezitativen Einschübe kapriziert, die er mit ungewöhnlich fragenden Akzenten versah.Dem prächtig ausstaffierten Orchesterpart gewann Weller viel ab: den Tastenarpeggien unterlegte er durchschwärmerte Liegetöne, wie um sie auf Rosen zu betten, Fugato-Spuren ließen sie förmlich versanden, weiche Figuren der Holzbläser verschafften gebieterisch Beruhigung, markante Motive der Streicher peitschten erneut auf, periodisch verwandelte sich der ganze Apparat in eine Spieluhr.Sehr frei nach Nietzsche trieb Richard Strauss in seiner Sinfonischen Dichtung "Also sprach Zarathustra" Zucht und Unzucht mit Tönen.Der philosophische Gestus und die einen überreden wollende Absicht dieser Musik verstimmt den Hörer und brachte die Bläsereinsätze ins Stottern.Was Weller dieser Musik eher als ihre Laszivitäten abringen konnte, war ihre zentrifugale Kraft, weg von den Ausschweifungen zurück zum harmonischen Brennpunkt des Erzählstrangs.

PETER SÜHRING

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