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Urheberrechtsdebatte (3): Dieter Gorny: Stars brauchen Helfer

Die Umsonstmentalität im Netz gefährdet die Existenz der Kreativen, sagt Musikindustrie-Verbandschef Dieter Gorny. Ein Debattenbeitrag.

Zwei Autoren erläutern ihre Position zur aktuellen Urheberrechtsdebatte am Beispiel der Popmusik. Lesen Sie hier die Gegenposition des Elektronik-Musikers Guido Möbius.

Mit den Acta-Protesten, dem Einzug der Piratenpartei in zwei Landtage und nicht zuletzt der „Wutrede“ Sven Regeners ist die Urheberrechtsdebatte in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen. Sogar in den Talkshows wird das sperrige und komplexe Thema diskutiert. Zugleich hat sich auch die Tonart verändert. Wir sind heute mit einer völlig emotionalisierten und zugespitzten Debatte konfrontiert. Wenn die Diskussion so weitergeht, dann wird es ernst. Denn im Prinzip wird uns eine Nachricht vermittelt: Das Netz ist frei und macht selbst Kultur. Wir brauchen keine professionelle Kunst mehr, denn das kann der produzierende Konsument nun selbst. Der Schwarm regiert, von Liquid-Democracy bis zum Shitstorm.

Durch die allseitige Verfügbarkeit der Produktionsmittel scheint alles wie von selbst zu gehen. Musik, Film und Literatur – wer will und muss da noch Geld in aufwendige Fernsehproduktionen stecken, wer in neue Bücher und in neue Musikalben, und wer will sie überhaupt noch kaufen? Als Musikwirtschaft werden wir ständig mit der These konfrontiert, dass Labels, Produzenten und Musikverlage nicht mehr gebraucht werden, denn in Zukunft kann ja jeder, der einen Internetzugang hat, selbst zum Star werden. Kurzum: Die Kreativen und die ganze Kreativwirtschaft können abgeschafft werden. Das ist ein fataler Trugschluss, der völlig außer Acht lässt, dass die Partner der Kreativen freiwillig am Markt gewählt werden.

Kultur ist auch ein ökonomischer Faktor

Beispiel: Im Deutschen Musikrat gibt es rund acht Millionen organisierte Musikerinnen und Musiker, von denen etwa 90 Prozent Laien sind. Sie haben Rechte, und sie müssen sich entfalten können – doch das ist noch lange kein Grund, die Berliner Philharmoniker abzuschaffen. Wir müssen endlich unterscheiden und differenzieren zwischen dem Bedürfnis vieler Menschen, irgendwie kreativ zu sein und der bewussten und risikoreichen professionellen Produktion von Kunst und Kultur, die auch ein wesentlicher ökonomischer Faktor ist.

Ein weiteres Kernproblem der aktuellen Debatte ist es, dass das Urheberrecht vor dem Hintergrund einer vermeintlichen Freiheitsdebatte von einigen wenigen als ein zu überwindendes Hindernis stilisiert wird. Dabei wird vergessen, dass die Freiheit der einen, nämlich die Freiheit, sich gratis mit Medieninhalten versorgen zu können, dann die Unfreiheit der anderen bedeutet, wenn den Urhebern, Kreativen und ihren Partnern letztlich die Existenzgrundlage abgesprochen wird. Für mich steht fest: Auch oder gerade in einer zunehmend digitalisierten Welt brauchen wir ein starkes Urheberrecht. Es ist und bleibt ein zentraler Baustein für die künstlerische und ökonomische Entwicklung der Kreativen sowie wie der diesbezüglichen Wirtschaftszweige.

Aber es geht längst um mehr als um ein bisschen Urheberrecht, nämlich um die Frage, wie wir als Gesellschaft mit dem Internet leben wollen. Deshalb brauchen wir bei dieser Debatte mehr Fakten, mehr Bekenntnis zum Inhalt, weniger opportunistische Nebelbomben, Vorurteile und weniger Diffamierung. Statt verbaler Pauschalbekenntnisse zum Urheberrecht, wie sie in diesen Tagen häufig zu hören sind, brauchen wir ein klares Handeln der Politik. Vor allem die Netzpolitik muss ihre Kinderschuhe verlassen, sich den wirtschafts- und kulturpolitischen Konsequenzen ihrer Forderungen stellen und endlich dort ankommen, wo sie längst hingehört: in der Realität!

Die sachliche Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken des Internets ist umso wichtiger, als diese Debatte längst zu einem Wahlkampfthema geworden ist, das uns bis zur Bundestagswahl begleiten wird. Wir werden uns in diesem Zusammenhang weiter für den Schutz von Rechten des geistigen Eigentums einsetzen. Mit der Leidenschaft, mit der wir Literatur, Musik, Filme und andere kreative Inhalte machen und an die Menschen bringen.

Dieter Gorny ist Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Musikindustrie. Er gründete die Musikmesse Popkomm und leitete den Musiksender VIVA.

Dieter Gorny

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