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Kultur: US-Wahl: "Das war eine Protestwahl"

Catherine Mcardle Kelleher (61) ist Direktorin des Aspen Institute in Berlin. Davor hatte sie mehrere Positionen in der Clinton-Administration inne.

Catherine Mcardle Kelleher (61) ist Direktorin des Aspen Institute in Berlin. Davor hatte sie mehrere Positionen in der Clinton-Administration inne.

US-Expertin Catherine McArdle Kelleher bewertet das knappe Ergebnis als Abrechnung der Bürger mit dem Zwei-Parteien-System

Können Sie sich an ein so spannendes Rennen erinnern wie zwischen Gore und Bush?

Nein. So dramatisch war es noch nie. Aber ich kann mich an drei Fälle erinnern, die zumindest ähnlich spannend waren. 1948 war das der Wettkampf zwischen Harry Truman und Thomas Dewey. Da gibt es dieses berühmte Bild mit Truman, der die "Chicago Tribune" vom nächsten Morgen zeigt, auf der der Sieg Deweys verkündet wurde - obwohl Truman der Sieger war. Dann natürlich das berühmte Rennen zwischen Kennedy und Nixon 1960. Und 1968 lagen zwischen Hubert Humphrey und Richard Nixon nur 70 000 oder 80 000 Stimmen. Aber wenn der Ausgang heute bei rund 100 Millionen Stimmen von einigen hundert Wählern in Florida abhängt, ist das schon etwas Besonderes. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass Gore mit 275 000 Stimmen vorn liegt und trotzdem verlieren kann. Dann hätten wir erstmals seit 1888 wieder einen Präsidenten, der eigentlich nur zweite Wahl ist.

Wie konnte es passieren, dass erst Bush als Sieger ausgerufen wird - und dann plötzlich doch wieder alles offen scheint?

Das liegt an einem Verfahren, das ich als Politologin sehr kritisch sehe. Thomas Jefferson, einer der Erfinder des US-amerikanischen Wahlsystems, hatte Angst vor der Demokratie. Das Gremium der Wahlmänner, das so genannte Electoral College, sollte Zeit für eine gut durchdachte Entscheidung haben. Das war allerdings, bevor es das allgemeine, zentrale Wahlrecht gab - und bevor es die großen Nachrichten-Networks gab. Die haben es inzwischen zu einer eigenen Kunst entwickelt, bei den Wählern direkt nach der Stimmabgabe Umfragen durchzuführen und dann die Resultate als offizielles Ergebnis zu verkünden. Das ist dann weniger eine wirkliche Information, sondern mehr eine Art Entertainment. Und diese Ergebnisse stimmen eben auch nicht immer, wie wir es jetzt erlebt haben. Außerdem beeinflusst es das Wahlergebnis unzulässig, wenn solche Trends bekannt gegeben werden, während in anderen Teilen des Landes die Wähler noch zur Wahl gehen. Das ist für die Demokratie in den USA schädlich.

Ist angesichts eines so knappen Sieges, bei dem wenige Stimmen über die Führung des ganzen Landes entscheiden, das amerikanische Wahlsystem überholungsbedürftig?

Ja. Wenn man sich anschaut, wie viele Stimmen Ralph Nader jetzt als dritter Kandidat bekommen hat, dann war das eine Protestwahl. Es zeigt, dass ein bemerkenswerter Teil der Bevölkerung der Meinung ist, dass mit dem bestehenden Zwei-Parteien-System etwas nicht in Ordnung ist. Das ist ein Warnsignal dafür, dass viele Leute sich vom bestehenden System distanzieren, weil sie enttäuscht sind.

US-Expertin Catherine McArdle Kelleher bewertet da

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