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Taylor Swift, hier bei den Billboard Awards, hatte sich bis zum vergangenen Sonntag in der Öffentlichkeit nie politisch geäußert.

© Lisa O'Connor/AFP

USA: Taylor Swift greift in den Wahlkampf ein

Die US-Sängerin will bei den bevorstehenden Wahlen für einen Demokraten stimmen. Unpolitisch zu sein wird auch für Stars schwieriger. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Andreas Busche

Popstar Taylor Swift und der amtierende Commander-in-Chief der US-Streitkräfte haben mehr gemeinsam als man zunächst vermuten würde. Beide haben ihre stärkste Fanbase in den sogenannten roten Staaten mit ihrer treuen Republikaner-Gefolgschaft, wo der Country-Pop, mit dem Swift als Teenager berühmt wurde, die Kurzwellen der Autoradios flutet.

Wie Donald Trump fällt es ihr zudem schwer, sich glaubhaft von Rassisten zu distanzieren, die sie immer wieder als „Alt.Right“-Ikone zu vereinnahmen versuchen. Stattdessen geht sie juristisch gegen kritische Journalistinnen vor oder legt sich mit der „American Civil Liberties Union“ (ACLU) an.

Denn Taylor Swift hat ein Problem: Sie möchte von allen geliebt werden, darum vermied sie bisher auch eindeutige politische Bekenntnisse – alles, was über ihre solidarischen Girl-Power-Proklamationen hinausgeht. Liebesentzug kommt bei Swift einer narzisstischen Kränkung gleich, in dieser Opferrolle hatte sie sich lange eingerichtet. Es ist auch ein lukratives Image: Ihre Alben zieren ganze Namensregister von enttäuschten Beziehungen. Jeder Herzschmerz ein Hit, neuerdings auch wieder über Spotify. Gleiches gilt für ihre medienwirksamen Schlammschlachten mit dem nicht minder polarisierenden Kanye West. Schuld sind immer die anderen.

Die alte Taylor ist tot

Jetzt aber hat Taylor Swift ihre Drohung vom letzten Album wahrgemacht. „Die alte Taylor ist tot“ verkündete sie in „Look What You Made Me Do“, es kümmere sie nicht mehr, wer sie liked oder hated. Im dazugehörigen Video schwingt sie einen (natürlich vergoldeten) Baseballschläger und tritt aufdringlichen Fans mit Plateauschuhen ins Gesicht. Zu diesem radikalen Imagewandel vom everybody’s darling zum bad girl passt ihr langer Instagram-Post vom Sonntag, der im Netz innerhalb weniger Stunden das Momentum einer von der demokratischen Partei im Zuge der skandalösen Kavanaugh-Ernennung sehnlichst erhofften „blauen Welle“ annahm.

Sie könne angesichts der Ereignisse der vergangenen zwei Jahre nicht länger schweigen, schreibt Swift auf Instagram. In weniger als vier Wochen stehen in den US-Bundesstaaten die wegweisenden „Midterm“-Wahlen an, die für die kommenden Jahre die Sitzverteilung in den beiden Kammern des Kongresses zementieren – und für die Demokraten im Erfolgsfall ein wichtiges Gegengewicht zum erratischen Amtsstil des Präsidenten bedeuten könnten.

Swift fordert ihre Fans zum Wählen auf

Taylor Swift hat nun angekündigt, in ihrem Staat Tennessee entgegen ihrer feministischen Grundsätze nicht für die republikanische Kandidatin Marsha Blackburn zu stimmen, sondern für deren Herausforderer Phil Bredesen. Blackburn, eine Gegnerin von Frauen- und LGBTQ-Rechten, stehe nicht für die Werte „ihres“ Tennessee ein, schreibt Swift. Und fordert ihre Fans auf, sich für die Wahlen Anfang November zu registrieren. „Wir werden nie den Kandidaten finden, mit dem wir zu 100 Prozent übereinstimmen, trotzdem müssen wir wählen.“

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Es verrät einiges über die Stimmung in den USA nach den irrwitzigen Wochen um die Kavanaugh-Anhörungen, die eine politische Spaltung des Landes weiter forciert haben, dass Taylor Swift mit einem so deutlichen Statement an die Öffentlichkeit tritt. Als Nike vor einigen Wochen den Football-Star Colin Kaepernick, einen erbitterten Trump-Gegner, zum neuen Werbeträger machte, verbrannten Trump-Anhänger auf Youtube ihre Sneaker.

Schon jetzt ist sicher, dass Swifts integratives Popstar-Image nicht nur kommerziell unter ihrem Instagram-Post leiden wird. Als die populäre Country-Band Dixie Chicks 2003 den damaligen Präsidenten George W. Bush für dessen Irak-Politik kritisierte, sahen sich die vier Frauen noch Boykottaufrufen ausgesetzt. Friedliche Zeiten waren das. Heute gehören Morddrohungen auf Twitter und Facebook zum medialen Grundrauschen.

Schlag ins Gesicht aller "MeToo"-Unterstützerinnen

Der selbstgerechte Wutausbruch Brett Kavanaughs vor dem Senatsausschuss und Trumps öffentliche Verhöhnung von dessen Anklägerin Christine Blasey Ford haben nicht nur die parteilichen Fronten verhärtet, sondern auch zur Mobilisierung der weiblichen Wählerschaft beigetragen.

Viele Amerikanerinnen, nicht nur die Opfer von sexuellem Missbrauch, sehen in der Ernennung Kavanaughs an den Obersten Gerichtshof, unabhängig von der Schuldfrage, passend zum Jahrestag der Weinstein-Enthüllungen eine Revision der „MeToo“–Errungenschaften. Inmitten einer erhitzten Debatte hat die brave Taylor Swift nun mit einem einzigen Post ihren Girl-Power-Feminismus „waffenfähig“ (weaponized) gemacht – um ein Wort Trumps aus den vergangenen Tagen zu benutzen. Viele ihrer Fans gehören zu den Erstwählern.

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