zum Hauptinhalt

Kultur: Vater werden

Steh zu dir selbst: Duncan Tuckers „Transamerica“

Am Ende ging der Oscar doch an Reese Witherspoon. Womöglich wollten die Academy-Mitglieder ihren Darstellerinnen-Oscar nach der Prämierung einer Boxerin (Hilary Swank), einer hässlichen lesbischen Serienmörderin (Charlize Theron) und einer großnasigen Feministin (Nicole Kidman) endlich mal wieder an echte Weiblichkeit vergeben. Und die hatte Desperate-Housewife-Felicity Huffman in „Transamerica“ nur sehr partiell zu bieten, auch wenn ihre Bree sehr genau weiß, was eine Lady ausmacht: Pastellfarbene Kostüme, passender Nagellack und eine Haltung aus dem Benimmbuch der fünfziger Jahre.

Bree ist eine Kurzform von Sabrina. Doch was, wenn Sabrina unlängst noch Stanley hieß? Auch jetzt schlummert unter der seidigen Strumpfhose der jungen Dame nach wie vor der handfeste Beweis biologischer Männlichkeit. Nicht mehr lange, hofft Bree. Denn er/sie ist eine Transsexuelle im so genannt prä-operativen Stadium. Das heißt: Die Hormone sind schon auf das neue Geschlecht eingestellt. Doch vor die endgültige Operation an den Genitalien haben die Gesetzgeber auch in den USA hohe Hürden gestellt. Und bezahlt werden muss das alles auch.

Bree lebt in einem ärmlichen Teil von Los Angeles. Neben ihrem Kellnerjob macht sie Telefongeschäfte, um das Geld für die Operation aufzubringen. Doch dann bringt ein Anruf aus New York alle Lebenspläne ins Wanken. Toby nennt sich der junge Mann, der behauptet, ein Sohn des nicht mehr existenten Stanley zu sein. Jetzt sitzt er in New York im Knast. Und Brees Therapeutin verweigert die Zustimmung zur OP, wenn ihre Klientin nicht auch mit diesem Teil ihrer Vergangenheit ins Reine kommt.

So reist Bree nach New York – und sitzt bald mit dem drogensüchtigen Stricher (Kevin Zegers) in einem klapprigen Auto auf der langen Reise zurück von Ost nach West. Dort will Toby im Porno-Geschäft reüssieren. Und endlich den Vater finden. Bree hat sich ihrem Sohn gegenüber als Missionarin ausgegeben und verschweigt ebenso standhaft wie feige ihre wahre Identität.

Komische wie dramatische Standardsituationen verstehen sich da von selbst. Denn Regisseur Duncan Tuckers Ausdeutung des Genres Roadmovie ist nicht gerade überoriginell: Der psychedelische Tramper könnte direkt aus „Thelma & Louise“ herübergetrottet sein, ein bisschen „Priscilla“ ist auch zu sehen. Schriller Höhepunkt ist eine Visite bei Brees Eltern, die das Paar erst nicht in die Villa lassen wollen, dann aber auf totale Vereinnahmung umschwenken: Im blauen Heimanzug mit Hündchen gibt die Mama ( Fionnula Flanagan) eine grantige Karikatur bigotten Mittwestlertums. Ganz glaubwürdig allerdings gerät die behauptete familiäre Versöhnung bei solchem Personal nicht – ebenso wenig die Tatsache, dass der sonst nicht auf den Kopf gefallene Toby seinen Enkel-Status trotz deutlicher Anspielungen partout nicht begreift. Auch die Aufdeckung von Brees delikatem Geheimnis ist nicht überzeugend gelöst, bietet aber einen schönen Anlass für fällige Identitätsbekundungen – weshalb Bree ihren Körper offensiv als „work in progress“ bezeichnet. In Sachen Transgender geht Tucker in seinem Debüt über derlei Beschwörung des „Steh-zu-dir-selbst“ nicht hinaus.

Was andere Lebensfragen angeht: Man muss nur kurz an „Broken Flowers“ denken, um zu ahnen, was für ein Film „Transamerica“ hätte werden können. So bleibt vor allem eine darstellerische Glanzleistung zu bewundern: Felicity Huffman hat dafür zahllose Preise bekommen. Nur den Oscar nicht.

In zehn Berliner Kinos; OV im Cinestar SonyCenter, OmU im Babylon Mitte, Babylon Kreuzberg und Hackesche Höfe

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false