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Wie im Kino. Videoinstallation von Julian Rosefeldt. Foto: Jirka Jansch

© Jirka Jansch

Kultur: Versteckte Räume

Die Berlinische Galerie zeigt Arbeiten des Videokünstlers Julian Rosefeldt

Eigentlich ist er ein massiger Typ. Aber seine Umgebung macht ihn klein. Der Mann läuft durch lange Röhrensysteme, riesige Säulenhallen und blinkende Schaltzentralen. Die Kamera verfolgt ihn weitwinklig, wie er da so von Ort zu Ort wechselt. Er scheint zu wissen, wohin er will. Er zieht sich seinen blauen Pförtnerzweiteiler aus und den weißen Schutzanzug wieder an, klappt Stuhlreihen herunter, drückt Knöpfchen. Ansonsten: kein Mensch zu sehen, kein Spaceshuttle hebt ab, der Bergbau ruht. Nur der Kaffee tröpfelt durch die Maschine.

Julian Rosefeldt dokumentiert in seiner erzählerischen Videoarbeit „The Shift“ die Künstlichkeit der verborgenen Arbeitswelt. Auf vier Screens gleichzeitig zeigt er in der Berlinischen Galerie diese spezielle Architektur, eine Mischung aus Funktionalität und Allmachtsfantasie. Welchem Zweck diese Orte dienten, bleibt außen vor, seltsam vertraut sind sie dem Betrachter dennoch. Über die Tonspur läuft das Fiepen und Knarzen aus Stanley Kubriks Film „2001 - A Space Odyssey“ und Andrej Tarkovskijs „Solaris“ von 1972. Längst sieht die Welt aus wie im Film. Oder ist es umgekehrt?

Während man sich das fragt, wurschtelt der Protagonist unbekümmert vor sich hin. Er packt ein Horn aus, spielt ein paar traurige Takte, legt das Instrument zurück und läuft weiter. Rosefeldt erzählt eine Geschichte ohne Anfang und Ende mit zartem Humor und in brillanter Kinoqualität. Die Arbeit entstand bereits 2008 im Rahmen eines Theaterprojekts an der Schaubühne, nun wird sie noch einmal im Rahmen der Verleihung des Vattenfall Contemporary-Preises gezeigt, mit dem Rosefeldt vergangene Woche ausgezeichnet wurde. Vorsitzender der Jury ist Jörn Merkert, Direktor der Berlinischen Galerie.

Die Würdigung Rosefeldts steht für eine Neuausrichtung der seit 1992 jährlich verliehenen Auszeichnung. Sie hieß bisher „Kunstpreis Energie“. Einst als Förderung ostdeutscher Künstler gedacht, soll sie nun an Künstler aus der ganzen Welt gehen, die in Berlin arbeiten. Zudem gibt es keine Beschränkung auf Malerei und Zeichnung mehr. Rosefeldt, 1965 in München geboren, hat Architektur studiert, seine Videoinstallationen und Filme werden international gezeigt. Statt neue Arbeiten zeigt Rosefeldt in der Ausstellung „Living in Oblivion“ ganz frühe. Auch darin zerrt er versteckte Räume an die Öffentlichkeit. Mit Piero Steinle hat er in München nicht nur das Innenleben von Blickfängen wie der Justizpalastkuppel oder des Olympiaparks fotografiert („Die unbekannten Kathedralen“, 1995). Er dokumentierte 1994 auch jene Gänge, die bis heute die ehemaligen NSDAP-Gebäude am Rand des Münchner Königsplatzes verbinden und der Bevölkerung unzugänglich sind. Inzwischen hat die Stadt München den Bau eines Dokumentationszentrums beschlossen, um ihre braune Geschichte aufzuarbeiten. Julian Rosefeldt hat schon viel früher hingeschaut.

Berlinische Galerie, Alte Jakobstraße 124 - 128, bis 18. 10., tgl. außer Di 10-18 Uhr.

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