zum Hauptinhalt
Robert Smith und Maxwell Smart sind Smith & Smart.

© Promo

"Versuch & Irrtum": Hip-Hop-Duo Smith & Smart: Die Reime der Bergschnecken

Das Duo Smith & Smart setzt auf traditionelles Hip-Hop-Handwerk und veröffentlicht jetzt sein Album „Versuch & Irrtum“.

Berlin ist eine Stadt der DJs. Doch eines bringen die vielen House- und Electro-DJs nicht fertig: vernünftig zu scratchen. Um wahre Turntable-Artisten zu hören, muss man schon ins Hip-Hop-Genre wechseln und zum Beispiel das Cassiopeia in Friedrichshain aufsuchen. Dort fand gerade die Record Release Party von „Versuch & Irrtum“ statt, dem jüngsten Album von Smith & Smart mit DJ Robert Smith an den Plattenspielern. Der lässt die Finger über die Regler flitzen, wechselt binnen Sekunden die Platten und scratcht sich rhythmisch durch die Hip-Hop-Geschichte.

Dazu rappt MC Maxwell Smart über dicke Stadtluft und die Verwandlung der Erde, „der Planet ist rund, seine Bewohner haben ein Rad ab“ – und die Fans stimmen ein. Viele sind schon seit den Anfangstagen von Smart und Smith dabei – seit knapp 14 Jahren. Um die Jahrtausendwende lernten sich Maxwell Smart (Berlin-West) und Robert Smith (Berlin-Ost) auf einer Party in Mitte kennen und beschlossen, gemeinsame Sache zu machen.

Smith & Smart arbeiten mit Vinyl, Laptops sind verpönt

„Oldschool-Hip-Hop, das sind unsere Roots, die Zeit hat uns auf jeden Fall geprägt“, sagt der 42-jährige Maxwell Smart im Gespräch. „Bands wie Beastie Boys, EPMD oder Public Enemy suchen heute immer noch ihresgleichen und diese Einflüsse spiegeln sich bei uns auf jeden Fall wider.“ Und sein 1981 geborener Partner ergänzt: „Wir machen Hip-Hop mit alter Technik, einem Mikrofon und zwei Plattenspielern. Unsere Songs produzieren wir so, dass wir sie auch genauso live auf die Bühne bringen können.“

Die beiden sind Hip-Hop-Handwerker der selten gewordenen Art. Laptops sind bei den beiden verpönt, Vinyl ihre erste Wahl. Sie durchforsten Plattenläden nach genialen Sekunden-Schnipseln, kaufen die besten Scheiben zum Scratchen doppelt, weil sie nach 100 Konzerten anfangen zu knistern. Mit Klassiker-Samples erweist das Duo den Vätern des Genres Respekt.

Robert Smith sagt: „Viele Leute kennen das ja gar nicht mehr: Freestyle-Rap, Live-Scratches, Plattenspieler. Bei HipHop-Konzerten sucht man heute oft vergeblich einen DJ auf der Bühne.“ Und so sieht ein Smith & Smart-Konzert nicht nur anders aus, sondern es klingt auch anders: Der Bass hat Volumen, der Sound ist nicht künstlich aufgebläht und frei von Effekten. Die kurzen Einwürfe von Run DMC bis Fischmob passen immer genau aufs Wort. Dazu kommen Samples aus Kinderhörspielen oder der Fernsehserie „Stromberg“. Es entsteht ein Dialog zwischen DJ und MC, zwischen den von Platte eingestreuten Wortfetzen und den Texten von Maxwell Smart. Die sind manchmal rotzig aber selten protzig und voll kurioser Assoziationsketten. Es geht ums Tourleben, Familienalltag, Kitaplatzsuche, Sprachprobleme und den eigenen Style: „Wir sind die Fineliner von Faber Castell, nicht wirklich schön, aber originell.“

In der Schweiz haben Smith & Smart viele Fans

Mit Gangster-Rap-Getue hat das nichts zu tun, statt Beleidigungen gibt es jede Menge Selbstironie. Auch im Gespräch kommt das durch, wenn Smith & Smart ihre Karriere als „Projekt Bergschnecke“ bezeichnen. Es gab eben nie den großen Hype um das Duo, stattdessen arbeiten sie sich Stück für Stück weiter auf die nächstgrößere Bühne.

„Es geht ja trotzdem voran, auch bei der Bergschnecke. Klar, die Menschen wollen immer sofort einen Baum und einen dicken Garten. Aber man muss erst mal was einpflanzen und das braucht lange Zeit zum Wachsen“, sagt Maxwell Smart. „Mittlerweile ernten wir ja auch schon: Respekt oder auch mal Beleidigung, Erfahrung, und ein paar Euro, mit denen wir unsere Miete bezahlen können“.

Die beiden sind ständig unterwegs zum nächsten Gig, moderieren die Sendung "Nightflight" bei Radio Fritz, sind ihre eigenen Booker, Produzenten und Vertriebsleiter.

Die Prämissen im Rap-Business freilich haben sich auch etwas verschoben. „Es geht nicht mehr um Skills, sondern um Klicks“, rappt Maxwell Smart in einem der neuen Tracks. „Ich treffe häufig Leute, die sich als MC bezeichnen, die dir dann stolz erzählen, wie viele Klicks sie auf Youtube bekommen. Aber wenn du die dann fragst, ob sie dir freestyle etwas vorrappen, heißt es: ,Äh, nee, so was machen wir nicht’. Darum ging es ja früher, du standst beim Battle auf der Bühne und musstest um dein Überleben rappen. Denn wenn du da verkackt hast, warst du raus. Heute bist du jemand, weil 5000 Leute dein Video geklickt haben.“

Manchmal schmuggelt das Duo Electrotracks in seine Shows

Smith & Smart haben sich mit ihrem Handwerk dennoch die in Hip-Hop-Kreisen häufig beschworene „credibility“ erarbeitet. Ihre Fans haben sie neben Deutschland vor allem in der Schweiz. „Das ist schon ein bisschen anders: Wenn du dort spielst, und ein Jahr später wiederkommst, dann haben sich die Leute das gemerkt. In Berlin hat sich nach einem Jahr entweder die Bevölkerung ausgetauscht – oder die Leute haben schon vergessen, dass sie bei dir auf dem Konzert waren.“ In der Schweiz erleben es Smith & Smart auch oft, dass die Leute nach dem Auftritt zu ihnen kommen und sagen: Jetzt muss ich auch mal wieder nach Berlin. „Wir sind eben auch die berlinigste Hip-Hop- Band, die wir kennen“, sagt Smart.

Klar ist die Hauptstadt immer wieder ein Thema auf den mittlerweile sieben Alben und EPs, die das Duo veröffentlicht hat. Mal erzählt Maxwell Smart von den achtziger Jahren in West-Berlin, als die Freiheit noch am Checkpoint Charlie endete und der Fahrschein 80 Pfennig kostete. Oder er rappt: „Ihr seid nicht Berlin, euer Style ist nur geliehn“.

Musikalisch feiern Smith & Smart immer wieder die guten alten Zeiten, verbinden sie aber auch mit der Gegenwart, wenn sie etwa hier und da Electrotracks in ihre Shows schmuggeln. „Ich glaube, man kann uns schlecht einsortieren“, sagt Robert Smith. „Wir haben häufig zu hören bekommen: ,Klingt geil, aber ist schwierig zu vermarkten.’ Wir sehen das aber auch als Pluspunkt, denn so funktionieren wir live auf vielen verschiedenen Hochzeiten. Wir können heute auf einem Hip-Hop-Event spielen – und morgen auf einer Technoparty.“

Konzerte: Ritter Butzke, Samstag, 6.12., ab 23.55 Uhr; als Support für Flowin Immo: Bi Nuu, Donnerstag, 11.12., 20 Uhr

Jakob Buhre

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false