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Kultur: Vom Rauskommen

Freude unter Freunden: die Doku „Unter Männern – schwul in der DDR“.

Von David Ensikat

„Es klingt, als wäre die DDR ein Schwulenparadies gewesen“, sagt der Interviewer. „Für mich war’s ein Paradies“, antwortet der Mann, der in Chile aufgewachsen ist und weiß, wie es den Schwulen dort erging. Dort begingen sie Selbstmord, weil sie anders waren. In der DDR gab es „die schönen Pissoirs“, sagt er, „da lernte ich alle meine Freunde kennen. Da war es so frei. Jeder konnte zeigen und machen, was er wollte.“

Wenn ein anderer erzählt, ein ehemaliger Sportlehrer, dann klingt das nicht so paradiesisch. Er musste seine Neigung verheimlichen, ein Psychotherapeut versprach, ihn davon zu heilen. Von den „Klappen“ zu erzählen, ist ihm noch heute peinlich – von den öffentlichen Toiletten, auf denen sich Schwule mangels anderer Gelegenheiten trafen. Dort gab es den schnellen Sex, gesprochen wurde draußen, auf der Parkbank.

Markus Steins und Ringo Röseners Dokumentarfilm „Unter Männern – schwul in der DDR“ zeigt eine solche Klappe, die damals bekannteste von Leipzig. „Bürgermeister“ haben sie sie genannt, weil sie sich in der Nähe des Rathauses befand. Die Bedürfnisse werden längst anderswo gestillt, die Farbe blättert von den Wänden, das alles ist lange her.

Einige der Männer, die über ihr schwules Leben in der DDR erzählen, tun das offen und gut. Richtig gut aber ist der Dokumentarfilm nicht. Die Schnitte sind ungeschickt gesetzt, wir hören Leute sprechen und sehen zeitgleich, wie sie schweigen, die Musik passt nicht, die jungen Filmmacher setzen sich selbst unnötig in Szene, einer fährt mit dem Fahrrad über den Alexanderplatz, er berichtet: „Im Berliner Schwulen Museum wird auch die Deutsche Demokratische Republik archiviert. Ich könnte mich hier tagelang verlieren.“

Es gibt einen schönen DDR-Dokumentarfilm aus den Achtzigern über Frauenschicksale, „Winter Adé“ von Helke Misselwitz. „Unter Männern“ zitiert den Film, offenbar wollten die Regisseure auf etwas Ähnliches hinaus, nur nicht in Schwarz-Weiß. Die Fragen aus dem Off, die stillen Augenblicke, in „Winter Adé“ funktioniert das alles, hier wirkt es bemüht und ungeschickt.

Dass das Schwulsein in der DDR ein vielfältiges war, erfährt der Zuschauer, auch dass es sich bis in die Achtzigerjahre vor allem im Verborgenen abspielte. Worin die Unterschiede zum Schwulsein in der Bundesrepublik bestanden, erfährt er nicht. Ob es ein Zufall war, dass das Outing der DDR-Schwulenszene mit dem Ende des ganzen Landes zusammenfiel? Der erste Spielfilm, der sich dem Thema widmete, Heiner Carows „Coming Out“ feierte am selben Abend Premiere, an dem die Mauer fiel.

Wegen der Protagonisten aber lohnt es, den Film zu sehen. Besonders Frank Schäfer, der schrille Friseur aus Berlin, erzählt so schön und frei, dass es ganz egal ist, ob wir von ihm Wesentliches oder Typisches übers Schwulsein in der DDR erfahren. Wie er seine Festnahmen schildert: „Wenn ick nich verhaftet worden wäre, wär auch janz schön Scheiße gewesen. Dann wär ick nicht so cool jewesen.“ Selbst von der Vergewaltigung im Polizeiarrest erzählt er lächelnd: „Ick wusste ja, wie man so was macht, dass es janz schnell vorbeigeht.“

FT Friedrichshain, Krokodil, Tilsiter

Lichtspiele und Xenon

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