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Voller Körpereinsatz. Dirigent Andrew Manze.

© Benjamin Ealovega

Martin Helmchen und Andrew Manze: Vom Winde zerzaust

Bittersüße Melancholie und verträumte Sehnsuchtstöne: Pianist Martin Helmchen und Dirigent Andrew Manze begeistern mit dem Deutschen Symphonie-Orchester in der Philharmonie.

Wenn sich abends im Konzert alle Beteiligten einig sind, wenn sie interpretatorisch konsequent in dieselbe Richtung streben, auf einem gemeinsamen inneren Atemstrom, dann sprechen Dirigenten gerne davon, dass sie mit dem Orchester fliegen können. Ein solcher Höhenrausch ist am Freitag in der Philharmonie zu erleben, bei Beethovens 5. Klavierkonzert mit dem Pianisten Martin Helmchen, dem Dirigenten Andrew Manze und dem Deutschen Symphonie-Orchester.

Der britische Maestro macht sofort klar, warum das Werk in seiner Heimat den Beinamen „Emperor“ trägt. Glanzvoll rauscht das Orchester auf, mit sehr präsenten Pauken. Doch der kaiserliche Jubelton wirkt keineswegs undifferenziert auftrumpfend, sondern erhaben, von klassizistischer Eleganz. Kraftvoll greift auch Martin Helmchen in die Tasten, bleibt dabei aber immer ganz klar, mit perlenden Läufen und sparsamem Pedalgebrauch. Vor allem begeistert er durch seine Fähigkeit zu feinsten dynamischen Abschattierungen, zum bruchlosen atmosphärischen Wechsel innerhalb des Klangflusses vom Kraftvollen zum Zarten und zurück.

Innenschau in tönendem Getümmel

Weltentrückt wie ein romantischer Dichter scheint Helmchen im Adagio, bis er sich, begleitet von den komplizenhaften Schulterblicken seines Dirigenten, selber aus den Grübeleien aufweckt, virtuos den Schub eines neuen Elans direkt aus dem Körperinneren vermittelt, der sich dann beglückend verströmt in der heiteren Gelassenheit des Schlusssatzes. Der Saal tobt vor Begeisterung – und die Vorfreude ist groß auf die Einspielung aller Beethoven-Klavierkonzerte, die sich dieses tolle Team für die kommenden drei Jahre vorgenommen hat.

Nach der Pause nimmt Andrew Manze Kurs auf Nordwest, für die 1935 uraufgeführte 1. Sinfonie seines Landesmannes William Walton. Wie sehr der Komponist im vierjährigen Schaffensprozess mit sich gerungen hat, hört man der Partitur nicht an. Der Energielevel ist von Anfang an hoch, Walton verblüfft mit filmmusikreifen Klangeffekten. Das Hauptthema des stürmischen Kopfsatzes scheint vom Wind zerzaust, das Finale flammt auf wie eine rotglühende Morgensonne.

Mit vollem Körpereinsatz und suggestiver Gestik wird Manze zum Anwalt dieser Rarität, befeuert das DSO geradezu – um dann den langsamen Satz zum Herzstück des Werkes zu erklären, zum bewegenden Moment der Innenschau inmitten des tönenden Getümmels, den er in feiner Balance hält zwischen bittersüßer Melancholie und verträumtem Sehnsuchtston.

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